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Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Titel: Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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er.
    »Nein, gar nichts«, erwiderte sie.
    »Na bestens.« Er ging wieder zu seinen Kollegen.
    Die Menschenmenge verlief sich langsam. Nur Dressler stand noch am Gartentor und knipste das eine oder andere Foto.
    »Meine Mutter ist nicht tot. Frag Utz nach dem Kreuz. Dann wird er sich erinnern. Und wenn er es nicht tut, ich schwöre es, werde ich ihm dabei helfen.«
    »Schluss mit lustig!« Der Sanitäter schnallte Milla unsanft auf der Bahre fest und schob sie in den Notarztwagen. Sie ließ es widerwillig geschehen. Doch bevor sich die Türen schlossen, rief sie: »Das Kreuz! Sag es ihm!«
    Ich ging in den Park und suchte Sigrun und Utz. Sigrun fand ich nicht. Utz stand allein hinter einem Partyzelt und hielt ein leeres Champagnerglas in den Händen. Ich trat zu ihm, aber er drehte sich nicht zu mir um.
    »Wer war das?«, fragte er.
    Ich sah einen Tisch mit Gläsern neben dem Zelteingang. Ich nahm mir eines und goss mir aus einer Flasche nach, die unberührt in einer der silbernen Schalen lag. »Weißt du es nicht, oder willst du es nicht wissen?«
    »Sie stand nicht auf der Gästeliste. Das passiert mit Leuten, die nicht eingeladen sind.«
    »Das Kreuz, Utz. Sie wollte dich an ein Kreuz erinnern.«

    Utz drehte sich langsam um und sah mich an. Er musste nichts sagen. Ich konnte die Antwort in seinem Gesicht lesen.
    »Sie lebt, Utz. Natalja Tscherednitschenkowa lebt. Öffne endlich die Tür.«
    Sein Glas zerschellte auf dem Holzboden. Er achtete nicht darauf, sondern drehte sich wortlos um und ging.
     
    Diskutierende Grüppchen standen beieinander und überlegten, ob die Verlobung nun stattgefunden hatte oder nicht. Von der Kanzleipartnerschaft ganz zu schweigen. Die Musikanten beschlossen unisono, keinen letzten Walzer zu spielen, und zogen ab. Mit Wehmut bedeckten die Köche die Speisen wieder mit den Deckeln und löschten die Brenner. Hinten im Zelt zogen die Mädchen die restlichen Spieße aus den Blumenkästen und warfen sie weg. Eine von ihnen wirkte etwas derangiert, ihr Haar hatte sich gelöst, ihr Lippenstift war verschmiert. Sie umfing eine Aura schläfriger Zufriedenheit, und ich fragte mich, wo Aaron sie wohl flachgelegt hatte.
    Dass Marie-Luise überhaupt abnahm, war nur meiner Hartnäckigkeit zu verdanken. Nach dem zwölften Klingeln hörte ich endlich ihre Stimme. »Egal, wer Sie sind, wehe, es ist nicht wichtig.«
    »Milla wurde festgenommen.«
    »Wer zum Teufel ist das?«
    Ich verdrückte mich hinter die Müllsäcke und erklärte den Ernst der Lage so knapp und präzise ich konnte.
    »Ihre Tochter?« Marie-Luise klang sehr amüsiert. »Auf eurer Party? Respekt.«
    »Sie braucht einen Anwalt. Sigrun wird die Anzeige zurückziehen, aber bestimmt nicht heute Nacht.«
    »Schönes Verlobungsgeschenk«, bemerkte sie. Dann ließ sie sich erklären, zu welcher Wache Milla gebracht wurde.
    »Hat sie gültige Papiere und ein Visum?«

    »Das nehme ich an.«
    »Dann ist sie in einer Stunde wieder draußen.«
    Sie versprach, sich zu melden. Ich steckte das Handy ein und machte mich auf die Suche nach meiner Halbverlobten.
    Ich entdeckte sie schließlich im Schlafzimmer. Sie saß im Dunkeln auf dem Bett, die Decke zu sich hochgezogen, mit angewinkelten Beinen, und rauchte. Ich tat den Teufel, es ihr zu verbieten. Ich sagte auch nichts, als sie meine silberne Manschettenschale als Aschenbecher benutzte. Kaum hatte sie die Zigarette ausgedrückt, zündete sie sich die nächste an. Der Widerschein des Feuerzeugs auf ihrem Gesicht flackerte. Ihre Wimperntusche war zerlaufen. Sie hatte geweint.
    Ich hatte Sigrun noch nie weinen sehen.
    »Ist da was gelaufen? Zwischen dir und der Russin?«
    »Ukrainerin«, sagte ich leise.
    »Es ist mir scheißegal, woher sie kommt. Sie hat alles kaputtgemacht.« Sie schluchzte und wischte sich die Tränen vom Gesicht. »Vor allen Leuten. Ich bin noch nie so gedemütigt worden. Vor meinem Vater, vor der Presse, vor dem Bürgermeister. Es war so peinlich. Ich kann mir eigentlich nur noch das Leben nehmen.« Sie zog geräuschvoll die Nase hoch und aschte aus Versehen auf die Bettwäsche. »Ich habe morgen eine Sitzung im Abgeordnetenhaus.«
    Wir schwiegen uns an. Ich konnte ihr jetzt nicht damit kommen, dass es schlimmere Dinge gab, als nach einem missglückten Fest seinen Job zu machen.
    »Was wollte sie eigentlich? Ich meine, außer ihren Anspruch auf dich anzumelden.«
    »Das hat sie nicht getan«, sagte ich.
    »Ach, du nimmst sie auch noch in Schutz.«
    Ich wurde langsam wütend.

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