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Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Titel: Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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Handbuch des Abgeordnetenhauses stehen, es würde keiner glauben.«
    Sigrun lachte hell und fröhlich, alle lachten mit. Utz wurde ernst. »Du bist das größte Glück meines Lebens. Und ich gäbe alles darum, wenn ich heute Abend nicht alleine hier oben stehen müsste, sondern Regina noch bei uns wäre. Sie wäre stolz auf dich. Sie hätte dich in den Arm genommen, meine Kleine, und hätte gesagt: Schau mich an. Unkraut vergeht nicht. Mit achtunddreißig fängt doch alles erst an!«
    Regina war mit sechsunddreißig an Brustkrebs gestorben. Sigruns Augen wurden feucht. Im Garten war es mucksmäuschenstill.
    »Ich bin mir sicher, sie sitzt jetzt da oben und murmelt: Mensch, Oller, nu fang doch endlich mit der Party an!«
    Sigrun lächelte, einige Gäste lachten. Utz drehte sich zu seiner Tochter um. »Liebling, komm her. Heute Abend geht es um mehr als um einen Geburtstag. Heute Abend feiern wir etwas Besonderes. Etwas, das ein Vater, der nur eine Tochter hat, auch nur einmal feiern kann. Zumindest sollte es bei dem einen Mal bleiben.«
    Herzliches Lachen. Vom Podium aus konnte man den Eingang besser im Blick behalten. Es wirkte alles normal. Die Einfahrt war mit dunklen Limousinen zugeparkt, neben denen gelangweilt die Fahrer standen und rauchten. Vor dem Eingang zu unserer Wohnung stand ein Polizeiwagen geparkt. Das war nicht ungewöhnlich. Allerdings hatte sich die Eingangskontrolle verstärkt. Statt zwei standen nun vier schwarz gekleidete Muskelmänner am Tor.

    Utz drückte Sigrun an sich. Beifall. Beide sahen zu mir. Ich hatte irgendetwas verpasst, tat aber das einzig Richtige: lächelnd auf die beiden zuzugehen.
    »Joachim Vernau dürften die meisten von Ihnen schon kennen. Lieber Joachim, als Sigrun mir vor vier Jahren sagte, den will ich heiraten – ich habe ihr kein Wort geglaubt. Mittlerweile habt ihr beiden uns eines Besseren belehrt. Was bedeutet: Nun prüfet, was sich ewig bindet, bezieht sich keinesfalls auf die Verbindung zweier junger Leute. Eher auf die zwischen Schwiegervater und Schwiegersohn!«
    Ich legte meinen Arm um Sigruns Schulter. Sie sah mich mit leuchtenden Augen an. Alle Unruhe der letzten Zeit war aus ihren Zügen fortgewischt. Sie war so schön in diesem Moment.
    »Und deshalb«, fuhr Utz fort, »möchte ich mehr zu dir sagen können als Sohn.«
    Ich verstand nicht.
    »Partner!«
    »Papa!«, rief Sigrun und umarmte ihn unter Tränen. Die Gäste applaudierten. Utz sah mich an. Ich trat einen Schritt näher. »In Zukunft also: Zernikow & Vernau. Einverstanden?«
    Sigrun drehte sich zu mir um und schmiegte sich an mich. Ich nahm sie in die Arme und sah über ihren Kopf hinweg in den Garten. Da stand Milla.
    Weiß der Teufel, wie es ihr gelungen war hereinzukommen. Sie war vielleicht noch dreißig Meter vom Podium entfernt. Die Leute achteten nicht auf sie. Alle waren viel zu gebannt von diesem Moment schwiegerväterlicher Zuneigung.
    »Zernikow!«, rief sie.
    Alle Köpfe wandten sich um. Utz balancierte vorsichtig ein Silbertablett, auf dem drei Champagnergläser standen.
    »Zernikow!«, rief Milla noch einmal. Die Menge teilte sich. Utz schaute von dem Tablett hoch und musterte die Frau. Sie stand im Gegenlicht der strahlenden Scheinwerfer.

    »Mörder!«, rief sie.
    »Scheiße«, murmelte ich.
    »Wer ist das?«, flüsterte Sigrun. Ich sah nach links, wo ich Dressler zuletzt beim Leerräumen der Balkonkästen gesehen hatte. Er war nicht mehr da.
    Milla kam näher. Sie trug eine kleine dunkle Handtasche. Die nahm sie jetzt von der Schulter, öffnete sie und griff hinein.
    »Auf euer Glück!«, rief Zernikow. »Auf meine Tochter! Auf …«
    Ich sprang vom Podest, tauchte brutal durch die Menge, die erschrocken aufschrie, und boxte mich zu Milla durch. Der Tusch des Streichorchesters verhauchte in einer Dissonanz. Ich hörte Sigrun einen Schrei ausstoßen und Glas klirren. In dem Durcheinander dauerte es ein paar kostbare Sekunden, bis ich Milla gefunden hatte. Ich packte sie an den Schultern und drückte sie ins Gebüsch.
    »Was tust du hier?«, fuhr ich sie an. »Bist du wahnsinnig? Was hast du da?«
    Ich riss ihr die Handtasche weg und streute den Inhalt auf den Boden. Ein Kamm, ein billiger Lippenstift, ein kleines Portemonnaie. Ein Zettel.
    »Er soll unterschreiben!« Sie marschierte wieder los. Ich konnte sie gerade noch am Handgelenk festhalten, da waren schon drei Sicherheitsleute bei uns.
    Milla schrie und wütete. »Zernikow!«, brüllte sie. »Zeig dich! Mörder!

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