Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen
Mörder!«
»Halten Sie ihr den Mund zu!«, befahl ich dem Wachmann, der gerade versuchte, sie zu bändigen. Eine Hostess hatte ihr Blumenkästchen fallen lassen und rannte hysterisch davon.
»Sie hat eine Waffe!«, brüllte jemand. Schreiend stoben die letzten Zeugen in der unmittelbaren Umgebung auseinander.
»Mörder!«, schrie Milla. Das trug natürlich auch nicht zur allgemeinen Beruhigung der Lage bei.
»Bringen Sie sie zum Schweigen!«
Der Wachmann hob seine Waffe und versetzte Milla mit dem Knauf eine Kopfnuss. Sie strampelte reflexartig mit den Beinen und erschlaffte.
»Doch nicht so!«, brüllte ich den Mann an.
»Das geht nur so«, erwiderte der vollkommen gelassen.
Zwei Polizisten tauchten auf. Milla wurde abgeführt, oder besser gesagt, hinausgeschleift. In mir war alles gefroren. Ich hatte Mühe, die Hände zu heben und mir über die Augen zu wischen. Ich folgte der Gruppe. Milla wurde gerade in den Polizeiwagen geschoben.
Sigrun tauchte auf. »Was war das?« Direkt hinter ihr sicherten ihre beiden Leibwächter mit schnellen Blicken in die Baumwipfel und unter die Autos das Gelände.
Einer der Polizisten hatte Millas Habseligkeiten eingesammelt und reichte seinem Kollegen ihre Papiere. Als er hochblickte, erkannte ich ihn. Der Frauenrechtler.
»Ist irgendjemand außer der Dame verletzt oder zu Schaden gekommen?«
»Nein … nein«, stammelte Sigrun. »Wer ist sie?«
POM 1 kam in Schwierigkeiten. Ich übrigens auch.
»Milla Tscherednitschenkowa. Ukrainerin. Tscha.« Er sah mich an. Als ich nichts sagte, wandte er sich an Sigrun. »Hatte wohl was gegen Ihre Verlobung. Wollen Sie Anzeige erstatten?«
Sigrun starrte auf den Polizeiwagen, aus dessen geöffneter Tür Millas Beine ragten. Von ferne hörte man eine Sirene. Funksprüche geisterten hin und her. Im Eingang zum Garten drängten sich die Neugierigen, wurden aber von eisenharter Hand zurückgehalten.
»Wollen Sie Anzeige erstatten?«, fragte POM 1 noch einmal.
Sigrun drehte sich langsam um. »Milla Tscherednitschenkowa? «, fragte sie mich.
Ich nickte.
POM 1 klatschte ungeduldig den Personalausweis in seine Handfläche. »Ganz recht. Die Dame, die wir neulich Nacht in Ihrer Wohnung angetroffen haben.«
»In … meiner Wohnung?«
POM 1 witterte, dass er vom Schicksal ausersehen war, ahnungslosen Hintergangenen ungeheuerliche Schandtaten zu offenbaren. Er tat es mit sichtlichem Vergnügen. »Die Dame behauptete, von Herrn Vernau mit einem Heiratsversprechen nach Deutschland gelockt worden zu sein. Es gab eine kleine tätliche Auseinandersetzung.«
»Heiratsversprechen?« Sigrun konnte nur noch wiederholen. Verstehen konnte sie nicht. Ich wollte ihr beruhigend die Hand auf den Arm legen, doch sie trat schnell einen Schritt zurück.
Petze 1 schaute mitleidig. »Hören Sie, wir sind nicht dazu da, Ihre vorehelichen Probleme zu lösen. Klären Sie das bitte untereinander. Ich will nur wissen, ob Sie Anzeige erstatten wollen.«
Ein Notarztwagen bog um die Ecke. Die Sirene machte auch noch den Rest der Straße darauf aufmerksam, dass es bei Zernikows was zu sehen gab.
»Anzeige«, murmelte Sigrun. Sie atmete tief durch. »Klar. Schreiben Sie auf. Hausfriedensbruch, tätlicher Angriff, nächtliche Ruhestörung, Beleidigung. Na ja, Widerstand und das alles. Und bringen Sie sie weg. Weit weg.«
Aufrecht und starr ging sie an den Gaffern vorbei ins Haus. Blitzlichter zuckten auf. Ich ahnte, dass Sigrun auf diese Art Publicity gerne verzichtet hätte.
Zwei Sanitäter trugen eine Bahre vorbei und setzten sie vor dem Polizeiwagen ab. Dann hoben sie Milla heraus. POM 1 zückte, nun wohl doch etwas unsicher, seinen Block. »Tut mir leid. Aber wenn Frau von Zernikow das so sagt …«
»Zernikow«, sagte ich. »Ohne von.«
Ich ließ ihn stehen und ging zu Milla. Sie war gerade am Aufwachen. Als sie mich sah, lächelte sie. Doch dann bemerkte sie,
dass sie Handschellen trug. In einem sinnlosen Versuch, sich zu befreien, zerrte sie an ihnen herum. »Du hast mich vergessen und verleugnet, Jojo«, zischte sie. »Drei Mal habe ich nach dir gefragt, du hast dich nicht gemeldet.« Sie brach ab, als einer der Sanitäter zu ihr herübersah.
Ich beugte mich zu ihr. Es gab keinen Grund, besonders freundlich zu ihr zu sein. »Wo hätte ich mich melden sollen? Du hast mich belogen. Du wohnst nicht in der Kirche. Und deine Mutter ist tot. Du spielst ein Spiel, aber ich mache nicht mit.«
Der Sanitäter trat zu uns. »Ist alles in Ordnung?«, fragte
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