Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen
die Treppe. Verstanden? Und jetzt will ich die nächste halbe Stunde niemanden hier sehen.«
Der Automat im Erdgeschoss spuckte Nescafé mit Trockenweißer aus. Drei Mal. Fluchend, weil die Plastikbecher die Hitze enorm
leiteten, brachte ich ihn zu den Wartebänken. Cahlow bot Marie-Luise gerade eine Zigarette an. Sie lehnte ab und nahm sich eine eigene. Ich reichte erst ihr und dann Horst einen Becher.
»Danke, vielen Dank. Was bekommen Sie dafür?«
Ich winkte ab. Dann setzte ich mich neben die beiden. Wir pusteten in die Becher, Marie-Luise und Horst qualmten. Die große Wanduhr zeigte fünf Minuten nach eins »Ich werde auf sie aufpassen«, sagte Horst. »Ich werde auf sie aufpassen. Aufpassen werde ich …«
»Sagen Sie mal«, unterbrach ich ihn, »wie sind Sie eigentlich unbemerkt in ihr Zimmer gekommen?«
»Genau das möchte ich auch wissen«, sagte Marie-Luise. »So einen Wichser wie Sie wollte ich schon immer mal auf die Intensivstation bringen. Allerdings in der Horizontalen.«
Cahlow schlug die Augen nieder. In meinen Augen sah er gar nicht so unsympathisch aus.
Doch die Großinquisitorin gab keine Ruhe. »Frauen kaufen, aus dem Katalog. Gibt es eigentlich ein Umtauschrecht? Kann man auch mal Probe liegen?«
Er rückte ein Stück weg von ihr.
»Und bei Nichtgefallen gibt es das Geld zurück. Oder hat man dich übers Ohr gehauen und du musst nehmen, was kommt? Schau mich mal an. Was wäre ich denn wert, na? Sag was!«
Cahlow hielt intensiven Blickkontakt mit seinem Plastikbecher.
»Hat es dem großen Mann aus dem goldenen Westen die Sprache verschlagen? Kannst du nicht mehr reden? Klappt es mit deutschen Frauen nicht so richtig im Bett, weil du kein ganzer Kerl bist, na? Bringst du’s nicht mehr?«
»Hör auf!«, fuhr ich sie an.
Cahlow hatte sich abgewendet und den Arm vor sein Gesicht gelegt.
»Mein Gott, was für ein Schlappschwanz. Das ist ja jämmerlich.«
Sie trank einen Schluck Kaffee und zündete sich die nächste Zigarette an. Ich war nur noch von Kettenrauchern umgeben. Wir starrten auf den Linoleumfußboden und schwiegen uns an.
»Ich habe seit fünf Jahren mit keiner Frau mehr geschlafen«, flüsterte Horst Cahlow.
Marie-Luise verschluckte sich am Zigarettenrauch und bekam einen Hustenanfall. Ich klopfte ihr auf den Rücken, bis es besser wurde.
»Nur mit Huren.«
Marie-Luise keuchte. Es war schwer zu entscheiden, ob vor Lachen oder vom Husten.
»Ich habe ihr geschrieben, dass ich sie nicht anrühren werde. Nur, wenn sie es auch will.«
»Könnte eine lange Wartezeit werden.« Marie-Luise hatte sich gefasst. »Auch wenn der Notstand groß ist.«
»Das ist mir egal. Ich will verheiratet sein.« Er zündete sich auch wieder eine an. »Meine Mutter ist vor sechs Monaten gestorben. Jetzt hab ich die Wohnung renoviert. Und eine Frau könnte auch da sein.«
Marie-Luise nickte ihm zu. »Und jetzt suchst du eine neue Mutti, die für dich kocht und aufräumt und dich an den Busen drückt, wenn du ganz, ganz traurig bist …«
»Sie hatte Alzheimer. Seit sieben Jahren. Deshalb bin ich damals zu ihr gezogen. Meine erste Frau ist damit nicht zurechtgekommen.« Cahlow inhalierte tief.
»Lass es jetzt gut sein«, sagte ich.
Marie-Luise zischte etwas Unverständliches und stand auf, um ihre Zigarette ausnahmsweise mal im Aschenbecher und nicht auf dem Boden zu entsorgen. »Trotzdem. Du bist doch ein …«, sie musterte Cahlow von oben bis unten, »… na, ein attraktiver Mann, wenn man mal so sagen darf. In den besten Jahren. Frauen lieben das doch. Lebenserfahrung, Reife. Ordentlich was drauf
auf den Knochen. Einer zum Anlehnen. Du schaffst das doch, ohne dir eine Frau zu kaufen.«
»Es ist doch nur eine Bearbeitungsgebühr!«
»Wie hoch?«
Er zuckte mit den Schultern. »Dreitausend«, sagte er leise.
»Dreitausend? Euro? Ohne Vögeln?«
»Darum geht es doch gar nicht.«
»Um was denn dann?«
Ich stand auf und streckte mich. »Hört zu, das kann alles bis morgen warten. Ich bin hundemüde. Ich schlage vor, Herr Cahlow bleibt hier, und wir fahren nach Hause und legen uns aufs Ohr. Morgen Vormittag löst Sie einer von uns ab. Ist das in Ordnung?«
Marie-Luise streifte sich ihre Lederjacke über. »Pass gut auf sie auf. Wenn nicht, kriegst du es mit mir zu tun. Und lass sie in Ruhe. Anfassen ist nicht, kapiert?«
Cahlow nickte. Er stand auf. »Ihr könnt euch auf mich verlassen. Übrigens: Ich bin der Horst.«
Er streckte mir seine große, weiche Pranke entgegen, und ich
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