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Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Titel: Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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bedeutete ihr, still zu sein. Irgendwo piepte es. Die Schwester stand auf und ging mit schnellen Schritten den Gang hinunter. Ich wartete, bis sie verschwunden war, und hechtete an ihren Platz. Die Aufnahmeliste hing in Augenhöhe links neben dem Computer. Mein Blick raste die Liste herab, keine Tscherednitschenkowa. Ich hörte Schritte. Unbekannt. Unbekannt lag auf Zimmer 42 – 07. Ich verließ das Büro keine Sekunde zu früh. Die Schwester kam um die Ecke und nahm wieder Platz an dem Schreibtisch.

    Wir warteten eine Minute, doch die Schwester ging ruhig ihrer Arbeit nach und schien nichts zu bemerken. Ich stand auf und bedeutete Marie-Luise, mir zu folgen. Der Gang war sehr lang, und Zimmer in dem Sinne gab es nicht. Immerhin konnte man durch halb heruntergezogene Jalousien Betten erkennen, in denen Menschen lagen, die nicht oder nur halb bei Bewusstsein waren. 42 – 07 musste die Tür ganz hinten rechts sein. Genau die öffnete sich jetzt.
    Wir drückten uns an die Wand. Es war ein kräftiger Mann, und einen Moment glaubte ich, Walter zu erkennen. Er sah sich um.
    »Was machen Sie da?«, rief ich.
    Der Mann erschrak und rannte los.
    »Schau nach Milla!«, schrie ich Marie-Luise zu. Der Mann war hinter einer Tür verschwunden, die zum Treppenhaus führte. Ich riss sie auf. Er war fast ein Stockwerk unter mir. Trotz seiner Massigkeit lief er behände und schnell. Ich sprang hinterher, fünf Stufen auf einmal, und betete, dass ich nicht ausgerechnet jetzt mit dem Knöchel umknickte. Jetzt erreichte der Mann das Erdgeschoss, dann den Keller. Er lief nach links in einen Gang. Ich hörte eine Tür schlagen und war Sekunden später in einer Art Tiefgarage. Kranken- und Notarztwagen, dazwischen Rollstühle, und wieder Unmengen von Wäschewagen. Der Mann schlängelte sich zwischen ihnen durch, doch es war eng. Und er war dick. Und ich war schnell.
    Ich hatte ihn, kurz bevor er den Ausgang erreichte.
    »Nein!«, brüllte er, als ich ihn am Kragen packte. Er war leicht zu überwältigen, und er schlotterte vor Angst. Ich presste ihn an die unverputzte Parkhauswand und gab seinem kurz geschorenen Schädel einen klitzekleinen Schlag, so dass er mit der Stirn an den Beton schlug.
    »Nein!«, wimmerte er. »Bitte nicht!«
    »Wer sind Sie? Was machen Sie hier?«

    Ich hatte ihn immer noch gut im Schwitzkasten, doch er zeigte keinerlei Widerstand.
    »Cahlow«, stöhnte er. »Horst Cahlow. Ich war bei meiner Verlobten.«
    Ich ließ ihn los. Er ächzte, stöhnte und schwitzte. Dann drehte er sich um. Cahlow war ein Mann von circa vierzig Jahren, mit hochroten, weichen Gesichtszügen und einer Miene von geradezu bedauernswerter Harmlosigkeit. »Ich habe das hier in der Zeitung gelesen.« Aus dem Innern seiner halbgeöffneten Lederjacke ragte die BTZ.
    »Sie sind mit der Frau aus dem Zimmer verlobt?«
    Er nickte. »Bitte tun Sie mir nichts. – Und ihr auch nicht.«
    Horst biss sich auf die Lippen und suchte mit seinen flinken Augen den Raum hinter mir nach einer Fluchtmöglichkeit ab. Als er sah, dass seine Situation im Moment zumindest nicht allzu aussichtsreich war, zuckte er mit den Schultern. »Wer sind Sie?«, fragte er.
    Er fing an, nachzudenken, und dazu wollte ich ihn gar nicht erst kommen lassen.
    »Ich passe auf sie auf, wenn Sie verstehen, was ich meine.« Jetzt hielt er mich für einen Zuhälter. Er bekam es wieder mit der Angst zu tun, doch plötzlich reckte er mutig sein Doppelkinn. »Ich auch.«
    Ich lächelte ihm aufmunternd zu. »Schön. Dann sind wir ja schon zu zweit. Kommen Sie mit, wir gehen hoch.«
    Er stieg vor mir die Treppen hinauf und kam dabei ganz schön ins Schwitzen. Oben angekommen, war die ganze Station in hellem Aufruhr. Ein Arzt und zwei Schwestern hielten Marie-Luise in Schach, die vergeblich versuchte, unser Eindringen zu erklären.
    »Da bist du ja!«, rief sie, als wir schnaufend dazukamen. Sie zeigte auf Horst. »Er hat sie bedroht! Er wollte sie umbringen, um …«

    »Halt die Klappe!«, fuhr ich sie an.
    »Aber …«
    »Dürfen wir erfahren, was hier vorgeht?« Der Arzt baute sich jetzt vor Horst Cahlow auf, der gleich wieder ein Stück kleiner wurde. Ein ziemlich kräftiger Pfleger versperrte den Ausgang zum Treppenhaus. »Schwester, am besten verständigen Sie die Polizei und den Wachschutz.«
    »Ja«, sagte Marie-Luise, »je schneller, desto – aua, was soll denn das?«
    Ich hatte ihr einen sanften Schlag in die Rippen versetzt.
    »Dies hier ist der Verlobte der jungen Dame da drin.

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