Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen
aber es war kein weiterer Schaden zu erkennen. Ich öffnete die Tür und beförderte vorsichtig die Glaskiesel in den Rinnstein. Das Handschuhfach war okay. Auch das Radio samt CD-Player war noch da. Dann bemerkte ich die abgebrochenen Scheibenwischer. Offenbar hatte jemand seiner Wut über die Ungerechtigkeit der Welt Ausdruck gegeben. Porsche für alle! Ich war ganz seiner Meinung und hatte nur einfach schon mal den Anfang gemacht. Aber für diese avantgardistische Haltung brachte der Kfz-Aktionist wohl kein Verständnis auf.
Ich ging zur Fahrertür und wollte aufschließen, aber das ging nicht. Der Liebhaber schneller Autos hatte ein Streichholz im Schlüsselloch abgebrochen. Ich quetschte mich von der anderen Seite über den Beifahrersitz hinein und merkte, dass etwas unter der Fußmatte lag. Ich hob die Matte an. Papier. Eine Zeitung. Die BTZ von gestern Abend. Auf der vierten Seite aufgeschlagen. Millas Foto.
Das war kein Neid. Das war eine Warnung. Ich faltete die Zeitung zusammen und legte sie ins Handschuhfach. Ich brauchte ein paar Minuten, bis ich mich traute, den Zündschlüssel zu drehen. In schlechten Serien explodierte genau dann immer das Auto. Doch der Mut kam wieder, als ich an Petze 1 dachte und die Reaktion, die ich ernten würde, wenn ich einen Bombenalarm auslöste. Ich startete, der Motor sprang an. Noch war ich nicht im falschen Film.
Ich ließ den Motor laufen und wartete eine Minute. Als nichts geschah, fuhr ich los.
28
Es war schwer zu sagen, ob es Sentimentalität oder Gewohnheit war, jedenfalls fand ich mich auf dem Weg in den Tennisclub plötzlich auf alten Pfaden wieder. Ich parkte neben dem Bürgersteig auf der anderen Straßenseite und betrachtete das Zernikowsche Palais, in dem ich immerhin die Blüte meiner Jahre verbracht hatte.
Die Villa lag ruhig, ein bisschen schläfrig unter dem Blätterdach der alten Eichen. Im oberen Stock war bereits Licht. Vermutlich konnte die Freifrau nicht mehr gut genug sehen in diesem ewigen Dschungelgrün, das die Bäume nur in den Wintermonaten abstreiften. Vielleicht hatte sie auch nur eine Aversion gegen Halbschatten, die Gestalten und Erinnerungen an die Wände malten.
Jemand bewegte die Vorhänge. Ich fuhr weiter.
Der Tennisclub lag fast um die Ecke. Er hatte den Ansturm der Mittelschicht gut verkraftet und die stetig gewachsenen Mitgliederbeiträge in den Bau eines modernen Clubhauses investiert. Das Clubhaus lag verdeckt von Hecken und Bäumen. Man sah es erst, wenn man durch das schmiedeeiserne Gartentor das weitläufige Gelände betrat. Das satte Plopp vieler getroffener Tennisbälle war schon auf der Straße zu hören. Instinktiv wollte ich die Autotür abschließen. Dann ließ ich es bleiben. Mit einem kaputten Schloss und offener Seitenscheibe lohnte sich die Mühe nicht so richtig.
Aaron spielte noch. Ich setzte mich am Spielfeldrand auf eine Bank und nickte ihm zu, als er in meine Richtung gelaufen kam und den Ball verpasste. Er grüßte kurz und widmete sich seinem Aufschlag.
Er spielte gut, aber unsouverän. Er bemühte sich um Fair Play, aber man spürte, dass es ihm etwas ausmachte, hier nur einer unter
vielen zu sein. Einer, der um den Sieg kämpfen musste. Sein Gegner war einige Jahre älter als er und wesentlich routinierter. Aaron kämpfte zu verbissen um jeden Aufschlag und mit zu viel Härte, um Spaß am Spiel zu haben. Am Ende siegte die Kondition. Dem Älteren ging die Puste aus, und Aaron gratulierte seinem Gegner mit einem gleichgültigen Händedruck. Nun kam er, den Schläger auf der Schulter rollend, zu mir herüber.
»Schön, schön«, begrüßte er mich. Dann trocknete er sein schweißnasses Gesicht mit dem Handtuch ab. »Spielen Sie auch?«
»Nur wenn sich der Einsatz lohnt.«
Aaron lachte. »Ein Zocker also. Vielleicht braucht man so eine Mentalität im Gerichtssaal. Mir wäre es ja lieber gewesen, eine seriösere Vertretung zu haben.«
Er schulterte die Tasche. »Ich gehe mich duschen. Was dagegen, wenn Sie am Ausgang auf mich warten?«
»Ja.« Ich holte den Ring aus der Tasche und reichte ihn hinüber. Aaron nahm ihn und wendete ihn hin und her. Dann ließ er die Tasche fallen und sah sich den Ring noch genauer an. Schließlich inspizierte er den Prägestempel und schüttelte den Kopf. »Wollen Sie mich verarschen? Das ist er nicht.«
»Er ist es. Und jetzt verschwenden Sie nicht weiter meine Zeit.«
Ich drehte mich um und ging zum Ausgang.
Doch Aaron war schneller. Er versperrte mir den Weg. »Er
Weitere Kostenlose Bücher