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Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Titel: Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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gänzlich aufgegeben war, zeigten die Fenster. Sie waren neu und unverputzt. Der ganze Komplex wirkte wie auf halbem Wege stehen gelassen. Als ob die Handwerker gerade Pause machten und gleich wiederkämen. Es gab kein Klingelschild, aber eine kleine Hinweistafel: Anwaltsbüro Hoffmann, HH 2. Stock rechts.
    Marie-Luise öffnete mir die Tür, das Telefon unters Kinn geklemmt und einen Teebecher in der Hand. Mit der anderen wies sie mir den Weg zu einem Zimmer mit sperrangelweit geöffnetem Fenster, durch das Musik von gegenüber ungedämpft hereinvibrierte. Eine Stimme kam dazu, eine Frau. Sie sang Französisch.
    Am Computer vor dem Fenster saß ein zwanzigjähriger Junge
in einem viel zu weiten, ausgewaschenen T-Shirt. Er blickte nur kurz hoch, als ich den Raum betrat, und widmete sich dann wieder seinem Bildschirm.
    »Okay«, sagte Marie-Luise. Sie holte mehrmals Luft, um den Anrufer zu unterbrechen, kam aber nicht zu Wort. Erst nach einigen Minuten hatte sie ihre Chance. »Machen Sie sich keine Sorgen. Kei-ne Sor-gen, verstehen Sie mich? Kommen Sie morgen um neun einfach hierher und erzählen uns alles in aller Ruhe. Um neun. Neun Uhr.«
    Sie sah mich an, ich nickte ihr zu. »Wenden Sie sich an Herrn Vernau. Nein, er leitet keine Selbsthilfegruppe. Er ist Anwalt. Ihre Tochter ist bei ihm in besten Händen.«
    Sie legte auf. »Siebzehn. Mitglied einer libanesischen Mädchengang. Zum sechsten Mal erwischt, der Polizei bereits durch vierundzwanzig Delikte bekannt. Wahrscheinlich wieder Beschaffungskriminalität. Könnte eng werden.«
    »Sie ist eine libanesische, minderjährige, drogensüchtige …«
    »… Prostituierte. Tja.«
    Marie-Luise räumte einige Stapel Akten zur Seite und setzte sich auf den Schreibtisch. »Das ist hier nicht die Welt der Golfplätze und Drittwagen.« Sie wandte sich an ihren Mitarbeiter. »Koch uns doch noch einen Tee, Kevin.«
    Kevin erhob sich widerspruchslos und ging hinaus. Marie-Luise schloss die Tür hinter ihm. »Also ist es dir ernst.«
    »Womit?«, fragte ich.
    »Du willst hier wirklich arbeiten?«
    Ich sah mich um. Alte Behördenschränke, graue Wände, an der Tür ein Plakat mit einem geschlachteten Seehundbaby. Ich deutete darauf. »Wenn ich das da abmachen darf?«
    »Bitte. Mich hat es immer inspiriert. Ich würde vorschlagen, du arbeitest auf eigene Rechnung. Am Monatsende zahlst du die anteiligen Kosten. Und sechzig vierzig vom Umsatz. Das hier ist eigentlich unser Aktenraum. Aber wie ich dich kenne, wirst
du dich schon bald hier so richtig zu Hause fühlen.« Sie grinste mich an.
    »Wer ist der Teekocher?«
    »Kevin? Keine Angst, ich habe nichts mit ihm.«
    »Er fällt unter das Jugendschutzgesetz.«
    »Ach ja?« Marie-Luise stand auf. »Du wirst mich da schon wieder raushauen. Er studiert Jura und macht hier sein Praktikum. Zufrieden?«
    »Wer arbeitet noch hier?«
    »Auf Zuruf kommt Frau Binder. Sie tippt alles, was nötig ist. Falls du sie brauchst, musst du sie bezahlen. Wenn du mich fragst, sucht sie nur was, um die Zeit bis zum ersten Kind zu überbrücken. Aber finde mal heutzutage jemanden, der mehr als seinen Namen richtig schreiben kann.«
    Ich lehnte mich zurück. »Solange Deutsch in der von dir so vehement verteidigten multikulturellen Gesamtschule nur dritte Fremdsprache ist …«
    »Wir sollten vielleicht nicht gleich am ersten Tag unsere ideologischen Grundsatzdiskussionen wieder aufwärmen.«
    »Nur ein kurzer Hinweis auf Ursache und Wirkung.«
    Sie ging zur Tür.
    »Noch was«, sagte ich. »Ich bin hier Partner, nicht Angestellter.«
    Sie drehte sich um und starrte mich eine Sekunde lang an. »Du bist ein Nichts, wenn ich dir nicht helfe.«
    »Irrtum. Du wirst am nächsten Ersten deine Miete nicht zahlen können.«
    »Ich höre wohl nicht richtig?«
    »Partner, oder ich gehe.«
    Ich stand auf. Marie-Luise überlegte einen Augenblick. »Fünfundfünfzig fünfundvierzig.«
    »Fifty-fifty. Auf ein gemeinsames Konto. Und du auch.«
    »Nie und nimmer.«

    Ich öffnete die Tür. »Auf Wiedersehen!«
    »Okay.« Sie seufzte, ging zum Aktenschrank und suchte mehrere Stapel hervor, die sie mir in die Hand drückte. »Schau mal, ob die noch Hilfe brauchen. Und … Moment.« Sie ging hinaus und kam kurze Zeit später mit einem weiteren Ordner zurück.
    »Hier. Du kannst gleich anfangen.«
    Ich schlug den Deckel auf. Die libanesische Gangsterbraut. Schönen Dank.
    Kevin kam mit dem Tee. Er goss mir eine Tasse ein, und ich trank einen Schluck.
    »Was zum Teufel ist

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