Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Titel: Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
Vom Netzwerk:
freundliche Einladung anzunehmen. Schweigend betraten wir die leere Halle, schweigend fuhren wir im Aufzug die zwei Stockwerke hoch.
    »Wenn Sie bitte warten möchten?« Walter hatte sich eine Menge aus englischen Butler-Serien abgeguckt. Vor allem den blasierten Gesichtsausdruck, mit dem er mich jetzt in eine Art Vorzimmer führte. Ein dicker Orientteppich unterdrückte das Knarzen der Dielen. Vor dem Fenster stand ein Rauchtischchen, auf dem eine Alabastergarnitur, bestehend aus Streichholzhalter und Aschenbecher, arrangiert war. Darum herum gruppierten sich vier Sesselchen. Ich blieb stehen. Die Schritte entfernten sich und näherten sich wenig später wieder.
    »Frau von Zernikow lässt bitten.«
    Ich ging an ihm vorbei. Walter eilte voraus und wies mich durch eine Tür am linken hinteren Ende des Flures. Ich war im Salon.
    »Frau von Zernikow bittet Sie, sich einen Moment zu gedulden.« Er schloss die Tür von außen.
    Der Raum war mit chinesischen Seidentapeten in Gelb- und Orangetönen tapeziert. Das Muster, wilde Paradiesvogelkreationen, wiederholte sich auf den Vorhängen. Ich hatte blassrosa oder beige erwartet, aber diese Farbenfülle überraschte mich. Der Boden war mit Aubussonteppichen belegt. Perlenverzierte Jugendstillampen verbreiteten ein warmes, gedämpftes Licht. Sie waren in allen vier Ecken des Raumes auf Beistelltischchen, Fotografientischchen, Karaffentischchen und Spitzendeckchentischchen verteilt. In der Mitte des Raumes prunkte auf einem runden Tisch ein orgiastisches Liliengesteck, das einen schweren, sinnlichen Duft verbreitete. Es war unnatürlich warm. In einem reich verzierten Kamin an der Stirnseite des Raumes flackerte ein Feuer.
    Ich trat ans Fenster und öffnete es einen Spalt. Ich konnte direkt
auf die Guntherstraße blicken. Mein Porsche stand nicht korrekt eingeparkt, doch er wirkte von hier oben aus betrachtet nicht ganz so lädiert.
    »Willkommen in meiner kleinen Welt.«
    Meinerrr kleinen Welllt. Sie rollte durch einen Vorhang, der den Zutritt zu einem weiteren Raum verbarg.
    »Bitte schließen Sie das Fenster. Ich vertrage keine Zugluft.«
    Ich tat, wie mir geheißen. »Guten Abend«, antwortete ich. »Was verschafft mir die Ehre?«
    »Nehmen Sie Platzzz.«
    Ich setzte mich auf einen Sessel neben dem Fotografientischchen. Die Freifrau rollte zur Zimmertür und betätigte eine fast unsichtbare Glocke. Walter erschien wie das Kaninchen aus dem Hut.
    »Was möchten Sie trrrinken? Damen meines Alters wärmen sich an einem guten Sherry. Für Sie vielleicht – Whisky? Gin? Oderr ein Bier?«
    »Ein Bier wäre nicht schlecht. Danke.«
    Walter verschwand mit einem knappen Nicken. Sie rollte zu dem Karaffentischchen und goss sich in eines der bereitstehenden Gläser zwei Fingerbreit ein. Dann kam sie auf mich zu und blieb einen Meter vor mir stehen. Sie musterte mich starr und schwieg. Da ich in letzter Zeit Schlimmeres gewohnt war, ließ ich ihr die Freude des Anblicks und wartete darauf, dass sie anfangen würde. Eine sehr lange Minute verging so, dann erschien Walter mit einem Silbertablettchen und balancierte darauf eine Flasche Bier und ein Kristallglas. Das Gute. Das für Verlobungsessen und andere hohe Verkündigungstage. Er stellte das Tablett neben mir ab und verschwand wieder.
    »Zum Wohl«, sagte sie. Ich nickte ihr zu.
    Sie kippte ihren Sherry hinunter und stieß ein herzhaftes »Ah« aus. Das Glas stellte sie neben meinem Tablett ab und faltete entschlossen die Hände. »Was wollen Sie von meinem Sohn?«

    Ich drehte mein Glas in den Händen. Auf der Außenwand hatte sich eine dünne Kondensschicht gebildet, die ich nun mit dem Daumen abrieb. »Ich habe einige Fragen an ihn.«
    »Er wird sie Ihnen nicht beantworten.«
    Sie sprach wieder normal, und das machte die Kommunikation um einiges leichter. Ich hatte nicht ständig das Gefühl, auf einer Bühne zu stehen und der Einzige zu sein, der seinen Text vergessen hatte.
    »Soweit ich weiß, ist er volljährig. Ich würde das gerne mit ihm persönlich besprechen.«
    »Es gibt keinen Grund für Sie, ihm Fragen zu stellen, also gibt es auch keinen für ihn, sie zu beantworten. Ihr Gastspiel in unserem Hause war lang genug. Und, verlassen Sie sich darauf, es wird keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Bei niemandem.«
    »So sicher?«
    Sie nickte nachdrücklich. »So sicher.«
    Ich stellte das Glas ab und wollte schon aufstehen. Aber dies könnte die letzte Gelegenheit sein, doch noch etwas zu erfahren. Nicht von Utz. Von

Weitere Kostenlose Bücher