Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Titel: Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
Vom Netzwerk:
Milla lag im Bett, genau so, wie ich sie in Erinnerung hatte. Nur ihre Arme waren zu erkennen, der Kopf war immer noch von einem Verband bedeckt. Auf dem Nachttisch stand ein riesengroßer Strauß rote Rosen.
    »Ein Fotograf war hier.«
    Ich war sofort alarmiert. »Was wollte er?«
    »Fotos natürlich«, antwortete Horst. »Ich hab ihm gleich gesagt, wo der Hammer hängt, wenn er es noch mal wagt.« Der begeisterte Boulevardzeitungsleser mauserte sich langsam zum Journalistenhasser.
    »Und?«
    »Nichts und.« Horst blickte an mir vorbei. Irgendetwas stimmte nicht.
    »Er hat sich doch nicht einfach so abwimmeln lassen, oder?«
    Horst zog etwas aus seiner Hosentasche und reichte es mir. Dabei sah er aus, als ob er gerade einen halben Liter Gurkenessig getrunken hätte. »Das hat er mir gegeben.«
    Es war eine Visitenkarte. Alexander Dressler, freier Journalist. Keine Adresse, nur zwei Handynummern. »Was will er von dir?«
    »Ich kriege zweitausend Euro, wenn ich erzähle, wer sie ist und was sie mit dir zu tun hat.«
    Ich atmete scharf ein. Dressler hatte es gerochen. Er verfolgte Sigrun, er verfolgte Horst, und wenn ich nicht sehr auf mich aufpasste, würde er mir bis in Hüthchens Sessel folgen.
    »Und? Was hast du ihm geantwortet?«
    Horst schwieg. Zweitausend Euro waren eine Menge Geld. Ich hatte Mordprozesse erlebt, bei denen es um weit weniger gegangen war.
    »Ich hab ihm gesagt, dass ich es mir überlege.« Horst sah mich an. »Ich wollte ihn nur hinhalten, verstehst du? Ich wollte erst mal wissen, was du dazu sagst. Ich würde nie …«
    Er stockte.
    »Ich danke dir«, sagte ich und steckte die Karte ein. Es war nicht wichtig, ob man über ein unmoralisches Angebot nachdachte oder nicht. Wichtig war, ob man es annahm oder ausschlug.
    »Vielleicht kann man ihn ja auf eine falsche Fährte locken«, überlegte Horst. »Du als Anwalt kannst hier doch immer irgendwie zu tun haben. Vielleicht hat dich der Fahrer von dem Unfall geschickt oder so und will jetzt sehen, ob er sich mit Milla einigen kann. Oder ich habe dich geholt, weil sie jetzt vielleicht abgeschoben wird, und ich will das doch nicht …«
    Er hatte schon wieder feuchte Augen. Wir mussten ihn ablösen, damit er eine Nacht in seinem Bett schlafen und die Kleider wechseln konnte. Er hatte einfach nicht die Nerven, um seine Verlobte zu bangen und auch noch meinen kleinen Privatkrieg durchzustehen.

    »Geh nach Hause«, sagte ich. »Leg dich mal hin. Ich bleibe solange hier.«
    »Nein, das geht nicht. Was ist, wenn sie aufwacht, und ich bin nicht da?«
    Auf jeden Fall hätte Milla nicht gleich das Gefühl, dass irgendetwas furchtbar schiefgelaufen war. Aber das konnte ich Horst so nicht sagen. »Es wird alles für sie getan. Und solange ich hier bin, wird ihr nichts passieren. Das verspreche ich dir.«
    Horst sah lange und sehnsüchtig durch die Scheibe. Dann seufzte er. »Nur zwei Stunden. Dann bin ich wieder hier.«
    »Lass dir Zeit.«
    Ich begleitete ihn bis zum Fahrstuhl. Als er in die Kabine trat, nickte ich ihm zu. »Das war nett, dass du ihr Blumen mitgebracht hast.«
    »Blumen?« Horst runzelte die Stirn. Dann fiel es ihm ein. »Ach, die Rosen. Die sind nicht von mir.«
    »Von wem …?« Die Fahrstuhltür glitt zu, bevor ich die Frage zu Ende stellen konnte.
    Ich begann meine Stallwache. Der Strauß stand auf dem Nachttisch neben Millas Bett. Ich könnte es mir einfach machen und denken, dass Dressler ihn gebracht hatte. Aber es waren wunderschöne, fast einen Meter lange, tiefdunkelrote Rosen. Teure Rosen. Diese Blumen schenkte kein Pressefotograf. Es lag kein Brief dabei, und die Schwester wusste auch nicht, wer sie abgegeben hatte.
    Aber die Botschaft war auch ohne Briefchen klar: Wir wissen, dass du hier bist. Wir vergessen dich nicht.

31
    Schon hundert Meter vom Haus entfernt hörte ich mehrere Bassakkorde und dann eine sehr gemeine Rückkopplung. Als ich in den Hof kam, schlug mir ein hektisches Schlagzeugsolo entgegen.
    »Alors, encore une fois …« Die Rock-Chansonette. Das konnte ja heiter werden. Wohnte hier eigentlich niemand, der sich über so etwas beschwerte? Die Fenster waren zum Teil sperrangelweit geöffnet. Nur im dritten Stock schräg gegenüber lugte eine verängstigt wirkende Frau hinunter. Als sie meinen Blick bemerkte, schloss sie sofort das Fenster.
    Ich ging nach oben in die Kanzlei. Marie-Luise war nicht da, dafür saß Kevin an seinem Schreibtisch und rauchte. Als er mich sah, stand er auf und ging wortlos an mir vorbei

Weitere Kostenlose Bücher