Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Titel: Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
Vom Netzwerk:
Connie war ein lieber, guter Mensch. Sie hatte es nicht verdient, an einem goldenen Nasenring vorgeführt zu werden.
    »Wie kommt Harry auf Erpressung?«
    »Ich weiß es nicht. Es hat mich ja auch nicht zu interessieren. Aber egal, das hier musst du noch unterschreiben.«
    Sie wühlte in ihrer lächerlich kleinen Tasche. Ein Schlüsselbund fiel heraus, zwei Autoschlüssel mit Mercedes-Stern hingen daran. Dann zog sie ein mehrfach gefaltetes Papier hervor. Ich faltete es stirnrunzelnd auseinander.
    »Ich kann zu den Schuhen keine Aktentasche tragen. Das verstehst du doch?«

    Ich nickte. Es war eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses im gegenseitigen Einvernehmen. Utz hatte es unterschrieben. Ich musste nur noch gegenzeichnen. Aus der Schublade des Küchentischs holte ich einen Kugelschreiber hervor und setzte meine Unterschrift darunter.
    Connie starrte mich an. »Das ist alles? Harry denkt, du willst eine Abfindung. Und das mit der Partnerschaft, die hatte Herr von Zernikow dir ja angeboten. Es könnte ziemlich viel Geld für dich dabei herausspringen, sagt er.«
    »Sagt Harry noch irgendetwas anderes?«
    »Nein«, antwortete sie, faltete das Papier wieder zusammen und steckte es in die Tasche. »Das heißt …«
    Connies Blick senkte sich voller Mitgefühl auf das Foto eines um Brot bittenden, halbnackten Kindes über der Spüle. »Hast du noch irgendwelche Unterlagen? Sie mussten deinen Schreibtisch aufbrechen, um an die Weinert-Sachen zu kommen.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein.«
    »Bist du sicher?«
    »Warum will er das wissen? Geht es um etwas Bestimmtes?«
    Connie wandte den Blick ab und schlürfte einen weiteren Schluck. »Nö. Wenn du sagst, du hast nichts, dann hast du auch nichts. Ich glaube dir.«
    »Und wer glaubt mir nicht?«
    Connie warf einen Blick auf ihre entzückende Rado-Uhr. »Ich muss gehen. Kennst du das Felix im Adlon? Ich war noch nie da.« Sie seufzte. »Weißt du, dass ich wirklich nicht weiß, wie man einen Hummer isst? Jedes Mal, wenn wir ausgehen, habe ich Angst, dass es Hummer gibt. Ich träume nachts schon davon. Das ist doch absurd. Ich bin ultrahappy und habe Alpträume von Hummern.«
    Mir fehlte das rechte Mitleid.
    »Hummer ist out. Genauso wie Gänsestopfleber und Kaviar. Austern gehen noch, aber nur als Vorspeise.«

    Sie hielt schnell die Hand vor den Mund. »Die leben doch noch, wenn man sie isst.«
    Ich nickte. »Manchmal hört man noch so einen kleinen Schrei. Fast wie ein Quieken.«Ich ahmte ein Ferkel nach. Connie starrte mich an und lachte plötzlich. Es war das erste Mal, dass sie mich wieder an das Mädchen aus der Kanzlei erinnerte.
    »Es ist schade, dass du nicht mehr da bist. Ich vermisse dich.«
    Sie stand auf, ich erhob mich ebenfalls. Dann nahm sie mich in den Arm und drückte mich an sich. Sie duftete nach First von Van Cleef & Arpels. Es war ein sauberer, teurer Duft nach frisch gebügelter Wäsche und reinweißem Gewissen. Sie nahm ihre Tasche. Ich begleitete sie bis zur Tür. Dort drehte sie sich noch einmal zu mir um. »Ich nehme das jetzt so mit, ist dir das klar? Keine Abfindung, keine Kohle?«
    Ich nickte.
    Sie zog die Augenbrauen hoch. »Okay, wie du willst. Ach … diese Sache mit der Rückübertragung in Grünau, wo hast du das abgelegt?«
    »Unter Lehnsfeld im unteren Hänger.«
    »Da ist alles drin? Ich hab es nämlich nicht gefunden.«
    »Alles.«
    »Und es fehlt auch nichts? Keine Urkunde, keine Kopie? Das ist wichtig, hat Harry gesagt. Sie müssen sich jetzt langsam vorbereiten, und die Sache ist wohl irre kompliziert.«
    »Es fehlt nichts«, versicherte ich ihr.
    »Und du hast auch keine Kopien davon gemacht und irgendwo unter deiner Matratze versteckt?« Sie legte den Kopf auf die Seite und lächelte mich an.
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Okay. Dann ist es ja gut. Ich besuche dich mal wieder. Ist das in Ordnung?« Sie hauchte mir noch einen Kuss entgegen und ging. Ein bisschen wackelig vielleicht, denn ihre Schuhe waren
für dieses Treppenhaus nicht geeignet. Hinter ihr wehte ein Hauch ihres Parfüms.
    Ich ging in die Küche und stellte die Becher in die Spüle. Dann betrachtete ich lange den zierlichen, perlmuttschimmernden Filter ihrer Zigarette auf der Untertasse. Ein schwacher rosa Lippenstiftabdruck haftete daran. Sehnsucht war ganz bestimmt nicht der wirkliche Grund für ihren Besuch gewesen. Die Aufhebungserklärung hätte man per Post erledigen können. Außerdem war es lächerlich, dass Connie eine Akte nicht fand. Und mit der

Weitere Kostenlose Bücher