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Das Kleine Buch Der Lebenslust

Das Kleine Buch Der Lebenslust

Titel: Das Kleine Buch Der Lebenslust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselm Gruen
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fängt er selbst an zu singen. Für Augustinus ist das Jubeln die Kunst, ohne Worte Gott zu besingen, der jenseitsaller Worte ist. „Wem ziemt solcher Jubilus, wenn nicht dem unaussprechlichen Gott? Unaussprechlich ist, wen man in Worten nicht aussprechen kann. Und wenn du ihn nicht aussprechen kannst, aber trotzdem nicht schweigen willst, was bleibt dir übrig, als zu jubilieren, damit sich das Herz ohne Worte freue und die unendliche Weite der Freude keine Grenze habe an den Worten?“ Im jubelnden Flöten der Amsel klingt etwas vom wortlosen Jubilus aus, der das unaussprechliche Geheimnis unseres Daseins auf angemessene Weise besingt und preist.

Warum der Vogel singt
Es gibt ein chinesisches Sprichwort, das heißt: „Ein Vogel singt nicht, weil er die Antwort weiß – er singt, weil er ein Lied hat.“ Eine wunderschöne Weisheit ist hier ausgedrückt. Der Vogel singt, weil er in sich ein Lied hat, das nach außen drängt. Nicht, um irgendjemandem eine Antwort zu geben. Nicht, weil er die Antwort auf die großen Fragen der Zeit hat. Er singt, weil er Lust am Singen hat.
Es gibt Dichter, die mit ihren Gedichten eine Antwort auf die tiefsten Fragen der menschlichen Seele zu geben suchen. Doch andere Dichter schreiben aus lauter Freude an der Sprache. Sie spielen mit der Sprache. Sie drücken das innere Lied aus, das in ihnen erklingt, ohne sich den Kopf zu zerbrechen, ob ihre Worte irgendeinem Menschen eine Antwort auf seine Fragen geben. „Antwort“ heißt eigentlich: Worte sagen, angesichts eines anderen, gegenüber einem anderen. Antwort ist Gegenrede. In der Antwort sind wir immer auf einen anderen bezogen. Wir sagen dem anderen etwas. Oft genug stehen wir unter Druck, wenn wir dem anderen etwas sagen wollen. Wir möchten ihm dasRichtige sagen, etwas, das vor ihm bestehen kann.
Der Vogel, der singt, ist frei von solchem Druck. Er denkt nicht an die anderen, denen er vorsingt, und er singt nicht deshalb, weil er gut singen möchte. Er singt, weil das Lied in ihm ist und nach außen drängt. Das Singen ist Ausdruck seiner inneren Freude. Und gerade weil sein Singen so zweckfrei ist, macht es uns Freude. Absichtsloses Singen spiegelt die innere Freiheit und Lust am Leben wider. Wenn wir hinter etwas zuviel Absicht spüren, stört es uns. Das Sprichwort sagt: „Man spürt die Absicht und ist verstimmt.“ Der Vogel hat keine Absichten mit seinem Singen. Er singt, weil er ein Lied hat. Aus purer Lebenslust.

Farbe der Hoffnung, Farbe des Lebens
„Wenn ich einen grünen Zweig im Herzen trage, wird sich ein Singvogel darauf niederlassen.“ Was dieses chinesische Sprichwort meint: Glück kann man nicht machen. Und doch liegt es auch an uns, ob wir uns freuen oder ob wir schlechter Stimmung sind. Denn – so rät uns dieses Sprichwort – wir können unser Herz mit einem grünen Zweig schmücken. Denn Grün ist die Farbe der Hoffnung, des neuen Lebens. Hoffnung ist eine Tugend. Man kann sie erwerben. Um sie muss man sich bemühen. Hoffen heißt: trotz aller deprimierenden Wirklichkeit auf eine heilvolle Zukunft setzen, sich selbst nicht aufgeben, vertrauen, dass Gott alles zu verwandeln vermag. Das chinesische Sprichwort vertraut auf die Hoffnung: Ein Singvogel wird sich mit Sicherheit auf unseren grünen Zweig setzen. Er wird unsere Seele mit Freude erfüllen – wenn wir nur der Hoffnung in uns Raum geben.

Tue nichts und lass das Leben auf dich regnen
„Was machen Sie?“ wurde die Dichterin Rahel Varnhagen einmal gefragt. Ihre Antwort: „Nichts. Ich lasse das Leben auf mich regnen.“ Eine überraschende Reaktion: Heute wollen wir jede Haltung lernen . Wir wollen wissen, wie ich Glück lernen kann, wie ich Lust am Leben einüben kann. Doch je mehr man etwas machen will, desto schneller entschwinden Glück und Lust. Rahel Varnhagen hat eine andere Antwort: Sie tut nichts, um das Leben als Lust zu empfinden. Sie lässt das Leben einfach auf sich regnen. Wenn ich im Regen stehe und den Regen einfach auf mich strömen lasse, dann kann ich tatsächlich Lust empfinden.
Normalerweise ist uns Nässe unangenehm, wir schützen wir uns vor Regen. Das ist auch normal. Denn wir können nicht mit klammen Kleidern herumlaufen. Doch wenn ich fast unbekleidet im warmen Regen stehe, dann fühle ich auch auf ganz angenehme Weise, wie es strömt. Im Regen spüre ich das fließende und strömende Leben selbst.
Ich habe zehn Jahre lang mit Jugendlichen eineWanderwoche veranstaltet. Einmal sind wir von einem starken Regenguss

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