Das Kleine Buch Der Wahren Liebe
zerstörerisch wirken, sondern fruchtbringend |117| und belebend. Aber verabschieden Sie sich auch von dem Anspruch, immer gegenhalten zu müssen. Sich auf den Wunsch des Partners einzulassen, ist nicht immer ein Zeichen von Schwäche. Es kann auch ein Zeichen von Stärke sein. Sie sind frei genug, auch einmal den eigenen Wunsch loszulassen und sich auf den anderen einzulassen, so wie er ist. Aber Ihr Dagegenhalten geht ja nicht nur auf gemeinsame Vorhaben, sondern offensichtlich auch auf die Person Ihres Partners. In Ihrer Aggression steckt der Wunsch, zu bestimmen, wie der andere sein soll. Malen Sie sich diesen Wunsch aus. Dann werden Sie merken, dass er unrealistisch ist. Ihre Aggression ist die Einladung, den anderen so zu nehmen, wie er ist, mit seinen Stärken und Schwächen, mit seinen Licht- und mit seinen Schattenseiten.
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Menschliches Miteinander kann nur aus der Vergebung heraus bestehen. Wenn die Partner nicht bereit sind, sich gegenseitig zu vergeben, werden sie sich gegenseitig immer wieder ihre Fehler aufrechnen. Die Rechnung, die der andere zu begleichen hat, wird dann im Lauf des Miteinanders immer größer. Aber der andere ist nicht bereit, sie zu bezahlen, sondern präsentiert dem Partner eine Gegenrechnung. Doch mit solchem Aufrechnen ruiniert man die Ehe. Die Vergebung reinigt die Atmosphäre. Wer vergibt heilt nicht nur sich selbst, er kann auch den anderen wieder bedingungslos lieben, ohne inneren Vorwurf. Wenn Vergebung nicht geschieht, wächst die gegenseitige Aversion. Und irgendwann kann die Liebe in Hass umschlagen. Vergebung heißt zunächst: Ich befreie mich von der negativen Energie, die durch die Verletzung in meiner eigenen Seele herumschwimmt und sie verunreinigt. Dann bedeutet Vergebung: Ich lasse die Verletzung beim anderen. Ich gebe sie weg. Ich kreise nicht mehr um sie. Ich benutze die Verletzung nicht als Vorwurf gegen den anderen, sondern vergebe sie. Die Vergebung geschieht aber nicht aus einer Position des Stärkeren heraus. Denn dann würde ich dem anderen nur vermitteln: Ich bin ja großherzig, nur du hast Fehler! Vergebung geht nicht mit der Schuldzuweisung an den anderen einher. Ich vergebe vielmehr im Bewusstsein: Auch ich trage meinen Teil der Schuld. Immer vergebe ich zugleich mir selbst
und
dem anderen. Nur dann geschieht die Vergebung so, dass der andere sie annehmen kann.
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Einer Frau, die mir von der Untreue ihres Mannes erzählte, sagte ich: Vergeben heißt nicht, dass Sie einfach die Dumme sind, die alles zulässt, was Ihr Mann tut, nur damit Sie ihn nicht verlieren. Auf diese Weise würden Sie sich selbst nicht ernst nehmen. Trotzdem ist Vergebung möglich. Doch die Vergebung braucht Schritte.
Der erste Schritt ist, dass Sie den Schmerz zulassen, den Ihnen Ihr Mann antut. Stellen Sie sich dem Schmerz. Der zweite Schritt ist, die Wut zulassen. Spüren Sie die Wut auf Ihren Mann, der Sie so verletzt hat. Diese Wut sollten Sie zugleich in Kraft verwandeln, Ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Die Wut wird zum Ehrgeiz: „Ich kann selber leben. Ich bin nicht völlig von Dir abhängig.“ Dann der dritte Schritt. Fragen Sie sich: Was drückt sich in der Untreue des Mannes für unsere Beziehung aus? Meldet sich da nicht der Traum von einer umfassenderen Liebe zu Wort? Dann werden Sie Ihrem Mann nicht nur Vorwürfe machen. Sie werden mit ihm darüber sprechen, wofür diese fremde Beziehung steht. Ist sie ein Zeichen, dass er unerfüllt ist? Hat er romantische und unreife Vorstellungen von Liebe und Ehe? Oder aber ist es eine Herausforderung, die eigene Ehe neu zu überdenken und zu überlegen, was da zur Routine geworden ist und wie sie wieder lebendiger gestaltet werden kann. Dieses objektive Anschauen hilft, von einseitigen Schuldzuweisungen loszukommen.
|120| Manchmal fehlt uns die Freiheit in der Beziehung. Manchmal ist es die Leidenschaft der Liebe, die mit der Zeit schwächer geworden ist.
Nach diesen drei Schritten kommt erst der Akt der Vergebung. Vergebung ist zunächst ein Akt der Befreiung. Ich befreie mich von der negativen Energie, die durch die Verletzung in mir ist. Und ich befreie mich von der zu engen Bindung an den, der mich verletzt hat. Ich lasse seine Schuld bei ihm und kreise nicht ständig darum. Auch da kann es helfen, ein Ritual der Versöhnung – vielleicht gemeinsam mit dem Therapeuten – durchzuführen. In so einem Versöhnungsritual könnte man einen Schlussstrich unter die Verletzung durch die Untreue ziehen, das
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