Das kleine Buch vom Riechen und Schmecken
wählen: Glücklich machen können sie alle.
Hauptsache, Vanille!
Alle Deutschen lieben Vanille. Egal, ob sie als Wunderbaum im Auto baumelt, als Shampoo die Haare oder als Waschpulver die T-Shirts beduftet. Sehr lecker ist Vanille als Eis. Mit heißen Himbeeren, Zuckerstreuseln oder Schokostückchen: Vanilleeis ist der unschlagbare Sommerhit. Denn was wir gern riechen, essen wir auch gern. Dass das Eis gar keine »echte« Vanille, sondern nur Vanillin enthält, stört dabei die Wenigsten. Der Duft der Vanilleschote setzt sich eigentlich aus über hundert verschiedenen Duftmolekülen zusammen, hauptsächlich natürlich Vanillin, während das industrielle Imitat sich ganz auf diese Substanz beschränkt. Aber wer weiß heute schon noch, wie das Original schmeckt? Gerade mal zehn Prozent aller Produkte auf dem Weltmarkt enthalten das natürliche Aroma. Es wird aus den Früchten einer Kletterorchidee gewonnen und ist sehr teuer. Nie würde es reichen für all die Soßen und Cremes, Puddings, Joghurts und Tees, die es bei uns zu kaufen gibt. Zumal Vanillegeschmack Bitteres maskieren und Schärfe reduzieren kann und deshalb auch in vielen anderen Lebensmitteln steckt, ohne dass wir es überhaupt bemerken. Die Hälfte der gesamten Vanilleproduktion der Welt landet übrigens in den USA . Amerikaner sind verrückt nach Marshmallows und Roibush-Tee – mit Vanillegeschmack.
Vanille begleitet uns seit Kindertagen, denn schon die Muttermilch duftet von Natur aus leicht nach Vanille. Babybrei wird damit verfeinert und die Babylotion duftet danach, weil alle Mütter den Duft so gern haben. Eine lebenslange Erinnerung an Geborgenheit und Glück wird einem da in die Wiege gelegt, die einen niemals verlässt. Mancher setzt ganz nebenbei womöglich auf die aphrodisierende Wirkung, die dem Stoff nachgesagt wird. »Männer lieben Vanille«, sagt Chandler Burr, einer der bekanntesten Parfumkritiker der Welt, »deshalb riechen alle Huren der Welt so.«
Die Ausnahme sind Männer, deren Großmutter Bäuerin oder deren Vater Fischhändler war, möchte man anfügen. Die ziehen nämlich den Geruch von Kuhstall und frischem Fisch vor, weil diese Düfte aus frühester Kindheit ihr Langzeitgedächtnis für immer geprägt haben. Vorausgesetzt, es handelte sich um eine gütige Großmutter und einen liebevollen Vater, anderenfalls resultieren die Erinnerungen in lebenslangen Duftaversionen. Während sich manche Geruchsvorlieben also ganz individuell prägen, sind andere bestimmt durch die Kultur des Heimatlandes. Japaner mögen süßliche Düfte und finden Fischgeruch gar nicht so übel. Amerikaner lieben Popcorn und Zimt, Fischgeruch empfinden sie eher als Gestank. Universell beliebt sind viele Naturdüfte, weil sie mit positiven Eindrücken verbunden werden. So zählt Orangenduft nach wissenschaftlichen Studien zu den weltweit beliebtesten Düften. Auch der Geruch des Waldes und eine frische Meeresbrise können viele Menschen begeistern. Als »Duft eines nordischen Morgens am See« pries Coco Chanel einst ihr Chanel No 5, und Aqua di Parma, ewige Kultmarke für Herren, setzt auf natürliche Zitrusaromen, angereichert mit zarten Blumendüften.
Heutzutage duftet der »Morgen am See« einen Hauch anders als damals, weil alle Parfums behutsam dem Zeitgeist angepasst werden. Die Mode komponiert immer neue Duftmischungen, um Emotionen zu wecken, die Phantasie zu beflügeln und die Menschheit attraktiv füreinander zu machen. Ob das so klappt, hängt aber eben von kulturellen Erfahrungen und kindlichen Prägungen ab. Für westliche Kulturnasen gilt jedoch eindeutig: Wir haben viele Lieblingsdüfte. Hauptsache, sie riechen nach Vanille.
Apfelkuchen riecht nach heiler Welt
Es gibt Düfte, die versetzen uns aus heiterem Himmel in eine bessere Welt. Der Duft nach frisch gebackenem Apfelkuchen gehört für die meisten von uns dazu. Plötzlich ist man wieder fünf Jahre alt, besucht die Großmutter und weiß: Sie hat ihren unvergleichlichen Kuchen gebacken. Den darf man natürlich sofort probieren, denn Großmütter erlauben sowieso immer alles. Der Geruch von Apfelkuchen vermittelt das wohlige Gefühl, gut aufgehoben zu sein. Das hilft auch bei vielen Geschäften. Wie sagte eine Immobilienmaklerin: »Egal, ob du ein Haus verkaufen oder vermieten willst: Back einen Apfelkuchen vor der Besichtigung.« Dann fühlen sich schon bei der Besichtigung alle wohl, finden das Haus gemütlich und wollen sofort einziehen. Damit ist die Entscheidung gefallen,
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