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Das kleine Gespenst

Das kleine Gespenst

Titel: Das kleine Gespenst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otfried Preußler
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wollte: drei Schritte vor Torstensons Apfelschimmel,
    „He, Torstenson!", schrie es. „Mir scheint, du bist wahnsinnig! Hast du vergessen, was du mir hoch und heilig versprochen hast - damals in jener Nacht, als du händeringend vor mir auf den Knien lagst und um Gnade flehtest? Mach, dass du hier verschwindest!"
    Torstenson (oder vielmehr der Direktor Kumpff-müller von der Aktienbrauerei) war zu Tode erschrocken. Fassungslos blickte er auf die schwarze
    Gestalt mit den weißen Augen herab. Er konnte sich nicht erklären, woher sie gekommen war. Und was wollte sie bloß von ihm?
    „Also? Verschwindest du freiwillig oder muss ich nachhelfen?"
    Ehe Direktor Kumpffmüller etwas erwidern konnte, brach das kleine Gespenst in ein schauerliches Geheul aus.
    „Hu-huiiiii!", rief es laut und gellend. „Hu-huiiiiii!"
    Da scheute der Apfelschimmel des Herrn Direktor und bäumte sich auf. Dann machte er auf der Hinterhand kehrt und preschte in weiten Sprüngen davon.
    Herr Kumpffmüller ließ den Feldherrnstab und die Zügel fahren. Es fehlte nicht viel und er wäre im hohen Bogen vom Pferd gefallen. Er krallte sich in der Mähne des Tieres fest. Nur mit äußerster Mühe gelang es ihm, sich im Sattel zu halten.
    „Hu-huiiiiii!", schrie das kleine Gespenst, immer wieder: „Hu-huiiiiiiiii!"
    Kein Wunder, dass auch die übrigen Pferde scheu wurden. Die Rösser der schwedischen Reiterei gingen durch, die Biergäule mit den Kanonen ebenfalls. Sie jagten in wilder Flucht dem Apfelschimmel des Generals nach - quer über den Rathausplatz nach dem Grünen Markt und mit Holterdiepolter zum Städtchen hinaus.

    Auch das schwedische Fußvolk geriet in Verwirrung. Soldaten und Offiziere ließen die Waffen fallen und wichen entsetzt zurück vor der zornigen schwarzen Gestalt mit den weißen Augen.
    Und die Zuschauer erst!
    Frauen begannen zu kreischen, Kinder weinten. Ein Riesengeschrei erhob sich: „Weg hier! Bloß weg
    hier!" Das Gedränge war fürchterlich. Man flüchtete in die Häuser, man zwängte sich in die Nebenstraßen, alles war kopflos vor Angst.
    Dabei dachte das kleine Gespenst überhaupt nicht daran, den Zuschauern auch nur ein Haar zu krümmen: Ihm ging es bloß um die Schweden.
    „Hu-huiiiiii, ihr vermaledeiten Halunken! Schert euch zum Satan mitsamt euren Säbeln und Spießen und Schießgewehren! Hu-huiiiiiiiii!"
    Es leistete ganze Arbeit, das kleine Gespenst. Heulend und fauchend stob es von einer Ecke des Rathausplatzes zur anderen. Wehe dem armen Schweden, der sich nicht schnell genug aus dem Staub machte! Gleich packte es ihn beim Kragen und beutelte ihn, dass ihm alle Knochen knackten, Es gönnte sich keine Ruhe, bis nicht das ganze schwedische Heer über alle Berge war, einschließlich Fahnenschwinger und Feldmusik,
    „Viktoria!", krähte es dann, „Viktoria! Torstenson ist geschlagen, die Schweden sind ausgerissen, Eulenberg ist gerettet! Viktoria!"
    Bis zum Ende der Mittagsstunde blieb ihm noch etwas Zeit. Aber bei aller Siegesfreude fühlte es sich zum Umfallen müde. Es ist eben keine Kleinigkeit, ganz allein einen so berühmten Feldherrn mit seiner Armee in die Flucht zu schlagen.
    „Ich muss sagen, für heute reicht es mir!", dachte das kleine Gespenst und beschloss, sich aufs Ohr zu legen, obwohl es noch gar nicht eins war.
    Da es sich zufällig in der Nähe der Ratsapotheke befand und da ebenso zufällig eines der Kellerfenster offen stand, schlüpfte es kurzerhand dort hinein. Es verkroch sich im untersten Schubfach einer ausgedienten Kommode. Dort gedachte es stolz seines Sieges, murmelte halblaut „Viktoria!" und schlief ein.

Am Montagmittag erwachte das kleine Gespenst mit Kopfschmerzen. Es fühlte sich matt und elend.
    „Die gestrige Anstrengung hat mir gewaltig zugesetzt", dachte es. „Aber vielleicht fehlt mir weiter nichts als ein bisschen frische Luft um die Nase, ich finde es ziemlich stickig hier ..."
    Es verließ die Kommode und sah sich im Keller der Ratsapotheke um. Nacheinander besichtigte es den Vorratskeller, die Waschküche und den Kohlenkeller, den Obstkeller und die Holzlege. Schließlich geriet es auf seinem Rundgang auch in den Weinkeller.
    „Donnerwetter, die vielen Flaschen!", staunte es. „In dem Haus scheinen Leute mit einem gesunden Durst zu wohnen,"
    Der Weinkeller hatte ein schmales, vergittertes Fenster zum Garten hinauf. Das Fenster stand offen. Eben wollte das kleine Gespenst den Kopf durch das Gitter stecken und einen Blick nach draußen werfen, da hörte es

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