Das kleine Gespenst
in der Nähe des Fensters Kinder sprechen und schleunigst zog es den Kopf zurück.
Die drei Kinder des Apothekers lagen im Schatten des Hauses auf einer Decke und unterhielten sich. Das kleine Gespenst konnte jedes Wort verstehen. Weil es gerade nichts Besseres vorhatte, hörte es ihnen zu.
Der eine der beiden Jungen hieß Herbert und war elf Jahre alt. Seine Geschwister, die Zwillinge Günther und Jutta, waren knapp neun.
Herbert führte wie immer das große Wort.
„Ihr müsst zugeben, dass es ein tolles Stück war!", rief er. „Der schwarze Unbekannte ist großartig. Wie die Hasen sind sie vor ihm davongelaufen! Ich finde, es war zum Totlachen!"
Jutta war anderer Meinung.
„Was du an der Geschichte bloß spaßig findest! Tut es dir denn nicht leid um das schöne Festspiel?"
„Mir schon!", brummte Günther. „Es wäre bestimmt eine feine Sache geworden, wenn dieser Kerl nicht dazwischengefahren wäre .., Der Anfang war jedenfalls gar nicht schlecht."
„Weißt du, was mir am besten daran gefallen hat?", fragte Jutta, „Am besten hat mir gefallen, dass alles so echt gewirkt hat. Zum Beispiel der Torsten-son! Hat er nicht haargenau ausgesehen wie auf dem Bild im Burgmuseum? Sogar den Provisor Deuerlein musste jeder für einen schwedischen Offizier halten, wenn er nicht wusste, dass er in Wirklichkeit ein verkleideter Apotheker war!"
„Ich stelle mir vor", meinte Günther nachdenklich, „wie viel Mühe und Geld es gekostet hat, vierhundertsechsundsiebzig schwedische Uniformen zu schneidern. Und woher sie wohl ihre Federhüte und Waffen hatten? Es muss für die Festspielleitung nicht einfach gewesen sein, alle Mitspieler damit auszustatten!"
Das kleine Gespenst hing mit beiden Händen am Gitter des Kellerfensters und traute seinen Ohren nicht. Wenn es die Kinder im Garten recht verstand (und daran gab es überhaupt nichts zu zweifeln), dann waren es also gestern gar keine echten Schweden gewesen, die es verjagt hatte - und schon gar nicht der echte Torstenson!
Nein, zum Kuckuck, der echte Torstenson konnte es ganz unmöglich gewesen sein! Seit er die Burg und das Städtchen belagert hatte, waren ja volle dreihundertfünfundzwanzig Jahre vergangen! So alt wird kein Mensch, so alt werden nicht einmal Generäle.
„Was habe ich da bloß angestellt!", dachte das kleine Gespenst entsetzt. „Ach du liebe Güte! Wie konnte ich nur so dumm sein! Und dabei kam ich mir noch wie ein großer Held vor ... Ein feiner Held bin ich! Einer der feinsten Helden, die man sich vorstellen kann!"
Das kleine Gespenst hätte sich ohrfeigen können, so zornig war es. Je länger es über die Angelegenheit nachdachte, desto größer wurde sein Katzenjammer.
„Mir scheint, es wird höchste Zeit, dass ich wieder nach Hause zurückkehre auf den Eulenstein", sagte es sich. „Hier unten erlebt man ja nichts wie Ärger und Aufregung jeden Tag, und das reicht mir nun, davon habe ich für den Rest meines Lebens die Nase voll. - Doch bevor ich mich aus dem Städtchen empfehle, werde ich den drei Kindern im Garten erzählen, wie alles gekommen ist. Das mit den Schweden gestern und überhaupt. Dann können sie allen Leuten davon berichten. Wenn ich schon daran schuld war, dass das Festspiel ein solches Ende genommen hat, sollen die Eulenberger auch wissen, was ich mir bei der ganzen Sache gedacht habe, Es geht dabei schließlich um meinen guten Ruf!"
Flink und geräuschlos schlüpfte das kleine Gespenst in den Garten hinaus und versteckte sich hinter dem nächsten Fliederstrauch. Von dorther rief es die Apothekerskinder leise und freundlich an:
„Pst - Kinder! Erschreckt nicht vor mir! Ich habe euch etwas zu sagen, etwas sehr Wichtiges. Aber ihr dürft nicht davonlaufen und nicht schreien, ich werde euch nichts zuleide tun."
Herbert, Günther und Jutta blickten verwundert im Garten umher. Sie konnten sich nicht erklären, wer da zu ihnen gesprochen hatte, Jutta stieß einen kleinen Schrei aus, als sie die schwarze Gestalt mit den weißen Augen entdeckte, die langsam hinter der Fliederhecke hervorgeschwebt kam und ihnen zuwinkte.
„Ui, seht doch - der schwarze Unbekannte!"
„So nennt man mich leider in Eulenberg", sagte das kleine Gespenst. „Und ich weiß leider auch, dass mich alle Leute im Städtchen fürchten. Dabei bin ich weiter nichts als ein unglückseliges kleines Gespenst und es tut mir entsetzlich leid, dass ich gestern beim Festspiel dazwischengefahren bin. Aber ich habe es nicht aus Bosheit getan, sondern weil
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