Das Kloster der Ketzer
in einem entsetzlich unnatürlichen Winkel vom oberen Teil abstand.
Wieder erhellte ein scharf gezackter Blitz die Nacht und nun begann der Regen wie aus Kübeln aus der tief hängenden Wolkendecke zur Erde zu stürzen.
Entsetzt zügelten Sebastian und Ansgar ihre Pferde, sprangen aus dem Sattel und liefen zu ihm.
»Verdammt! Verdammt! Verdammt!«, fluchte Elmar, das Gesicht eine einzige Maske des Schmerzes.
Ansgar riss sein Messer aus dem Gürtel und schnitt den Ärmel von Elmars Hemd auf. »Barmherziger Samariter!«, stieß er hervor, als er die spitzen Knochen sah, die an der Bruchstelle aus dem Fleisch herausragten. Blut strömte aus der offenen, rissigen Wunde.
Sebastian wurde es flau im Magen und er würgte – nicht allein wegen des schauerlichen Anblicks. Ohne Elmars Ortskenntnis waren sie hier oben in den Wäldern und Mooren verloren!
Elmar kroch rückwärts gegen den nächsten Granitblock und lehnte sich dagegen. »Du musst... den Bruch richten und... und die Wunde verbinden, Ansgar!«, stieß er abgehackt hervor, während er seine Hand auf die Wunde presste, um den Blutfluss so gut es ging zu verlangsamen. »Der gebrochene... Knochen muss zurück!«
»Mein Gott, ich weiß nicht, ob ich...«, begann Ansgar abwehrend und zuckte unwillkürlich zurück.
»Du musst!«, fiel Elmar ihm scharf ins Wort. »Wir müssen weiter, so schnell es geht! … Besorg zwei, drei... fingerdicke Äste zum Schienen des Bruches! … Etwas kürzer als mein Unterarm müssen sie sein! … Da drüben vom Busch kannst du sie schlagen! … Und aus dem Zügel meines … Pferdes lassen sich Riemen zum Zuschnüren schneiden! … Und gebt dem armen Tier den Gnadenstoß! Es ist nicht mehr zu retten.«
»Heilige Muttergottes, steh mir bei!«, murmelte Ansgar beklommen.
Sebastian sprang auf. »Ich kümmere mich um die Stöcke zum Schienen!«, rief er hastig und lief im strömenden Regen zum Busch hinüber, bevor Elmar oder Ansgar ihm die grausige Aufgabe übertragen konnten, das noch immer schrill wiehernde Pferd mit einem raschen Schnitt zu erlösen.
Elmar brüllte auf vor Schmerz und verlor das Bewusstsein, als Ansgar wenig später den gebrochenen Unterarm packte und die gesplitterten Knochen mit einem beherzten Griff mehr schlecht als recht wieder zusammendrückte. Hastig verband er die noch immer heftig blutende Wunde mit Stoffstreifen, die Sebastian unterdessen aus Elmars Umhang geschnitten
hatte, legte die kurzen Stöcke an und verschnürte alles mit vier kurzen Lederriemen aus dem Zügel des toten Pferdes.
Als Elmar endlich wieder zu sich kam, hievten sie ihn auf Ansgars Pferd und setzten ihren Weg durch die düstere, unheimliche Landschaft fort, begleitet von fast unaufhörlichen Donnerschlägen und wild zuckenden Blitzen.
Ansgar führte das Pferd mit Elmar im Sattel. Doch schon nach wenigen Minuten mussten sie wieder anhalten, denn den Verwalter hielt es vor Schmerzen nicht länger im Sattel.
»Die Erschütterungen… bringen mich um!«, keuchte er. Bei jedem Schritt, den das Pferd machte, jagte eine Welle des Schmerzes durch seinen Körper. »Ich muss es … zu Fuß… versuchen!«
»Aber...« Ansgar setzte zu einem Einwand ein, um jedoch sofort wieder zu verstummen.
»Ich werde...mich mit der anderen Hand am Sattelgurt... festhalten!«, stieß Elmar keuchend hervor. »Es muss... es wird schon gehen. Und jetzt weiter!«
Elmar schritt erst zügig aus. Doch er verlor noch immer Blut, und sosehr er auch die Zähne zusammenbiss und sich an den Sattelgurt klammerte, das anfänglich scharfe Tempo vermochte er nicht beizubehalten. Bald kamen sie nur noch quälend langsam voran.
In strömendem Gewitterregen durchquerten sie ein unheimliches Gelände, das mit schief gewachsenen Latschen, Krüppelfichten und Beerengestrüpp bewachsen war. Die starken Winterwinde hatten sie alle in eine Richtung niedergedrückt und ihnen ihre merkwürdig schiefwüchsige Form aufgezwungen. Hier und da ragte das Skelett eines allein stehenden Baumriesen in großen Inseln von kniehohem Riedund Seegras auf. Der Geruch von Moder und Fäulnis lag in der Luft.
Sie hatten das Reich der Moore erreicht.
Als vor ihnen die ersten dunklen, unergründlichen Moorseen auftauchten, musste Elmar wieder einmal eine längere Pause einlegen, weil ihn die Kräfte verließen und er sich nicht länger auf den Beinen zu halten vermochte. Zitternd sackte er in die nassen Mooskissen.
Sebastian und Ansgar warfen sich einen stummen Blick zu, als sie hastig von den
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