Das Kloster der Ketzer
Pferden sprangen und die Tiere an die Äste einer Krüppelfichte banden. In ihrem Blick lag die unausgesprochene Angst, dass Elmar den Marsch durch die Moore und hinüber in den Böhmerwald nicht schaffen würde. Der stete Blutverlust sowie die Schmerzen schwächten ihn immer mehr. Und wenn er endgültig zusammenbrach, was würde dann aus ihnen?
»Es geht gleich wieder«, versuchte Elmar sie zu beruhigen. »Jetzt ist es nicht mehr...«
Weiter kam er nicht. Denn in diesem Augenblick rief hinter ihnen aus der Dunkelheit eine triumphierende Stimme. »Da! … Da sind sie, Jodok! … Da drüben am Moorsee! … Ich wusste doch, dass die Hunde über die Moore zu fliehen versuchen! … Die Belohnung gehört uns! … Also, holen wir sie uns, Männer!«
Und eine zweite Stimme brüllte: »Hanno, wo bleibst du? … Wir haben die verfluchte Ketzerbande!«
Zu Tode erschrocken fuhren Sebastian und Ansgar herum. Schergen des Domherrn jagten aus den tiefen, regengetränkten Schatten der Nacht auf sie zu.
4
Die achtköpfige Abteilung der bewaffneten Schergen des Domherrn musste sich in mehrere Gruppen aufgeteilt haben, denn es waren nur drei Reiter, die im strömenden Nachtregen herangaloppierten.
Noch immer wütete das Unwetter. Wie Kanonenschläge rollte der Donner über das Land, fuhren blendend helle Blitze in wild gezackter Bahn zur Erde und rissen die triefnasse Finsternis für Sekundenbruchteile auf. Und in dem Wechsel aus Dunkelheit und kurzem grellen Licht wirkten die Reiter mit ihren wehenden Umhängen wie Geisterwesen, die mit rasenden, aber irgendwie abgehackten Bewegungen auf sie zu flogen. Die Schergen des Domherrn hatten ihre Klingen gezogen, und der Stahl leuchtete im Schein der Blitze auf, als bestände er aus weißblauer Glut.
»Alles vergeblich! Und nur weil ich nicht besser aufgepasst habe!«, stöhnte Elmar gequält und kam mühsam auf die Beine. »Jetzt geht es auf Leben und Tod!«
»Das verdanken wir dem Kohlenbrenner! Er muss ihnen den Weg gewiesen haben! Nur so haben sie uns finden können! Möge seine schwarze Seele auf ewig im Höllenfeuer brennen!«, fluchte Ansgar und riss seinen Degen heraus.
»Niemand entgeht seinem Schicksal! Aber leicht werden wir es ihnen nicht machen! Noch ist nicht alles verloren!«, presste Elmar hervor und zog blank. »Los, auseinander, damit sie uns nicht zusammen erwischen und einfach über den Haufen reiten!« Und Sebastian rief er zu: »Jetzt kannst du zeigen, was du von deinem Vater und mir gelernt hast!«
Nach Elmars Sturz vom Pferd hatte Sebastian die Ledertasche
an sich genommen und sie sich mit dem langen Ledergurt quer über die Brust gehängt. Nun befreite er sich hastig davon, während er mehrere Schritte zwischen sich und seine Gefährten brachte. Die Tasche würde ihn im Kampf nur behindern. Und so warf er sie mit der linken Hand achtlos von sich in das hohe Gras, während seine Rechte den Degen aus der Scheide zog.
Der scharfe, metallische Klang jagte ihm einen Schauer durch den Körper, und bei dem Gedanken, dass die gleich aufeinander treffenden Klingen am Ende des Gefechtes blutbefleckt sein würden, krampfte sich sein Magen zusammen.
»Ich nehme mir den Burschen hier rechts außen vor! Ihr kümmert euch um die beiden anderen!«, schrie der Reiter, der eine gute Pferdelänge vor seinen Kameraden ritt, riss seinen Apfelschimmel zu Sebastian herum und hieb aus dem Lauf heraus nach seinen Beinen.
Geistesgegenwärtig riss Sebastian seinen Degen hoch und sprang gleichzeitig zur Seite, um sich aus der Reichweite der gegnerischen Waffe zu bringen. Dabei stolperte er jedoch über eine Wurzel und stürzte rücklings zu Boden. Noch im Fallen sah er, wie die beiden anderen Schergen von ihren Pferden sprangen und mit Ansgar und Elmar die Klingen kreuzten.
Schnell warf er sich herum, tastete im hohen Gras nach seiner Waffe, die ihm beim Sturz aus der Hand geprellt worden war, und bekam sie endlich zu fassen. Keine Sekunde zu früh kam er wieder auf die Beine. Denn der Mann, der ihn aus dem Galopp heraus angegriffen hatte, wollte die günstige Situation nutzen und ihn wohl am Boden liegend überwältigen. Denn mit einem abrupten Zügelkommando brachte er sein Pferd brutal zum Stehen, rutschte noch im Aufbäumen des Apfelschimmels aus dem Sattel und stürzte auf ihn zu, um ihm die Klinge an die Kehle zu setzen.
Sebastian wehrte den Stich ab. Die Waffen klirrten aufeinander und die scharfe Klinge seines Gegners stach links an ihm vorbei ins Leere. Mit einer
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