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Das Kloster der Ketzer

Das Kloster der Ketzer

Titel: Das Kloster der Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M Schroeder
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Ketzer!«, befahl Tassilo kurz und schroff, wie man es ihm eingeschärft hatte.
    »Ja, wisst Ihr denn nicht, dass wir jetzt nur den von Neuleben hinter Schloss und Riegel haben?«, fragte der Wärter verblüfft und zerrte hastig seine verrutschte Uniform zurecht.
    Tassilo runzelte nur die Stirn.
    »Man hat den Leonhard Kaiser heute Nachmittag zu einem Verhör abgeholt und hinüber nach Passau gebracht«, teilte ihm der Wärter eilfertig mit, während er nach einem Schlüsselbund griff, das hinter ihm an einem Wandhaken hing. »Es muss wohl länger gedauert haben und da hat man ihn dann für die Nacht gleich drüben behalten und dort ins Stadtgefängnis gesteckt. Man wird ihn erst morgen wieder auf die Festung bringen.«

    Sebastian unterdrückte nur mit Mühe einen Fluch. Leonhard Kaiser, den Freund seines Vaters, würden sie also nicht retten können. Das war eine bittere Enttäuschung. Aber dann sagte er sich, dass er nicht mit dem Schicksal hadern dürfe. Noch schlimmer wäre es gewesen, wenn ausgerechnet sein Vater an diesem Tag aus der Festung gebracht worden wäre.
    »Dann eben nur den Schlüssel für die Zelle des anderen Wittenbergers!«, blaffte der Domherr.
    »Sehr wohl, gnädiger Herr!« Der Wärter fummelte am Eisenring nervös nach dem passenden Schlüssel, fand ihn endlich und trat schnell zur Tür, um ihn dem Domherrn zu reichen.
    Auf Bruder Scriptoris, der für ihn ja einer der domherrlichen Schergen war, achtete er nicht. Und deshalb sah er auch nicht, dass der Mönch in seinem Rücken zu einem der Prügel gegriffen hatte, die in der Wachstube bereitlagen, und nach einem schnellen Schritt plötzlich hinter ihm stand.
    »Sieh es mir nicht als Unrecht an, Herr!«, murmelte der Mönch und schlug zu.
    Der Hieb mit dem Prügel fällte den Wärter wie eine scharfe Axt einen dünnen, morschen Baum. Er verdrehte die Augen und sackte mit einem kurzen, röchelnden Laut in sich zusammen.
    Der Mönch fing ihn auf und ließ ihn sanft zu Boden gleiten.
    »Pest und ewige Verdammnis über euch!«, zischte der Domherr in ohnmächtiger Wut.
    »Sagt das dem Teufel, wenn Ihr ihn in der Hölle trefft – und das werdet Ihr mit Sicherheit!«, erwiderte Sebastian. »Und nun los! Führ uns zu meinem Vater.«
    Bruder Scriptoris warf Lauretia den Prügel zu und kümmerte sich um den bewusstlosen Wärter, der gut gefesselt und geknebelt werden musste, um nicht zu früh Alarm schlagen zu können.

    Tassilo führte Sebastian und Lauretia in den rechten der vier vom Vorraum abzweigenden Gänge. Und schon nach wenigen Schritten standen sie vor einer langen, mehr als mannshohen Gitterwand, die durch dicke Steinmauern in drei einzelne Zellen unterteilt war. Zwei davon waren leer. In der dritten kauerte eine schemenhafte Gestalt auf einem dreckigen Strohlager, die sich nun erhob und zögerlich ans Gitter herantrat.
    »Du kriegst Besuch von deiner elenden Brut, die genauso aus der Art geschlagen ist wie du, Ekkehard!«, rief der Domherr voller Abscheu und Wut, während er den Schlüssel ins Schloss rammte und ihn herumdrehte. »Aber glaubt nicht, dass …«
    Welche Drohung der Domherr noch ausstoßen wollte, sie sollten es nicht erfahren. Denn in dem Moment stieß ihm Lauretia mit der linken Hand den breitkrempigen Hut vom Kopf und zog ihm im nächsten Moment auch schon den Holzprügel kraftvoll über den Schädel. Von jeglicher Kraft verlassen, stürzte er vornüber gegen das Zellengitter und rutschte an ihm entlang auf den kalten Steinboden hinunter.
    Indessen hatte Sebastian die Zellentür aufgestoßen.
    »Sebastian?«, stieß der Mann, der ihm gegenüberstand, gleichsam fragend wie fassungslos hervor.
    »Ja, Vater«, antwortete Sebastian mit erstickter Stimme. »Wir sind gekommen, dich zu befreien.«
    Im nächsten Moment lagen sie sich in den Armen, und beide schämten sich ihrer Tränen nicht, während sie sich umarmt hielten, als wollten sie so bis in alle Ewigkeit verharren.

10
    Tassilo von Wittgenstein lag noch immer in tiefer Bewusstlosigkeit und entkleidet bis auf seine Leibwäsche, gefesselt und geknebelt in der Wachstube neben dem ebenso verschnürten Wärter. Indessen war Sebastians Vater der Aufforderung seiner Befreier nachkommen, seine Kleidung gegen die seines Bruders auszutauschen. Sie saß ihm fast wie angegossen.
    Dieser letzte Teil ihres Planes, nämlich die Festung Oberhaus ohne den Domherrn zu verlassen, war der riskanteste von allen. Aber die Gefahr, den Argwohn der Wachen oben am Zugang zu den Zellen zu

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