Das Kloster der Ketzer
erlöse sie diese nicht aus frei geschenkter Liebe?
85. Oder: Warum werden die kirchlichen Bußsatzungen, die »tatsächlich und durch Nichtgebrauch« an sich längst abgeschafft und tot sind, doch noch immer durch die Gewährung von Ablass mit Geld abgelöst, als wären sie höchst lebendig?
86. Oder: Warum baut der Papst, der heute reicher ist als der reichste Crassus, nicht wenigstens die eine Kirche St. Peter lieber von seinem eigenen Geld als dem der armen Gläubigen?
87. Oder: Was erlässt der Papst oder woran gibt er denen Anteil, die durch vollkommene Reue ein Anrecht haben auf völligen Erlass und völlige Teilhabe?
88. Oder: Was könnte der Kirche Besseres geschehen, als wenn der Papst, wie er es (jetzt) einmal tut, hundertmal am Tag jedem Gläubigen diesen Erlass und diese Teilhabe zukommen ließe?
89. Wieso sucht der Papst durch den Ablass das Heil der Seelen mehr als das Geld; warum hebt er früher gewährte Briefe und Ablässe jetzt auf, die doch ebenso wirksam sind?
90. Diese äußerst peinlichen Einwände der Laien nur mit Gewalt zu unterdrücken und nicht durch vernünftige Gegenargumente zu beseitigen heißt, die Kirche und den Papst dem Gelächter der Feinde auszusetzen und die Christenheit unglücklich zu machen.
91. Wenn daher der Ablass dem Geiste und der Auffassung des Papstes gemäß gepredigt würde, lösten sich diese (Einwände) alle ohne weiteres auf, ja es gäbe sie überhaupt nicht.
92. Darum weg mit all jenen Propheten, die den Christen predigen: »Friede, Friede«, und ist doch kein Friede.
93. Wohl möge es gehen allen den Propheten, die den Christen predigen: »Kreuz, Kreuz«, und ist doch kein Kreuz.
94. Man soll die Christen ermutigen, dass sie ihrem Haupt Christus durch Strafen, Tod und Hölle nachzufolgen trachten.
95. Und dass die lieber darauf trauen, durch viele Trübsale ins Himmelreich einzugehen, als sich in falscher geistlicher Sicherheit zu beruhigen.
Tagesablauf und Horen
in einem Zisterzienserkloster
2.00 Uhr Vigilien (Nachtwachen)
3.15 Uhr Laudes (Lobgebet zur Morgendämmerung)
4.30 Uhr Prim (Gebet zur ersten Stunde), anschließend Kapitelsitzung
5.00 Uhr Arbeit
7.45 Uhr Terz (Gebet zur dritten Stunde)
8.00 Uhr Konventmesse
8.50 Uhr religiöse Lektüre, Arbeit
10.40 Uhr Sext (Gebet zur sechsten Stunde)
11.00 Uhr Mittagessen
14.00 Uhr Non (Gebet zur neunten Stunde)
14.30 Uhr Arbeit
18.00 Uhr Vesper (Gebet zum frühen Abend)
18.40 Uhr Abendessen
19.00 Uhr Komplet (Gebet zum Tagesschluss)
20.00 Uhr Nachtruhe
Bei den Angaben handelt es sich um ungefähre Zeiten für die Werktage im Sommer. An Sonn- und besonderen Feiertagen entfällt die körperliche Arbeit und das Stundengebet dauert länger. Die Gebetszeiten werden heute in den Klöstern noch genauso eingehalten wie vor tausend Jahren, wenn sich die Zeiten der einzelnen Horen auch leicht verschoben haben. So beginnen die Vigilien in Himmerod nicht mehr wie früher um 2.00 Uhr, sondern erst um 4.30 Uhr. Die Psalmen sind im Laufe einer Woche so auf die einzelnen Gebetszeiten verteilt, dass die Mönche den ganzen Psalter in den sieben Tagen einmal ganz beten.
Quellenverzeichnis
Die Bibel – Altes und Neues Testament, Einheitsübersetzung , Katholische Bibelanstalt, Stuttgart 1980
Das Neue Testament – nach Joseph Franz von Allioli. Eingeführt, kommentiert und meditiert von Eleonore Beck und Gabriele Miller , Verlag Katholisches Bibelwerk, Verlag Butzon & Bercker, Kevelaer 2003
Bibellexikon , Hermann-Josef Frisch, Patmos Verlag, Düsseldorf 2003
Die Mönchsregel des Heiligen Benedikt , Reprint Verlag, Leipzig
Gutenberg – Aventur und Kunst, Vom Geheimunternehmen zur ersten Medienrevolution , Gutenberg Museum der Stadt Mainz, 2000
Immo Ebel: Die Zisterzienser – Geschichte eines europäischen Ordens , Jan Thorbecke Verlag, Stuttgart 2002
Hans-Dieter Stoffler: Kräuter aus dem Klostergarten – Wissen und Weisheit mittelalterlicher Mönche , Jan Thorbecke Verlag, Stuttgart 2002
Georg Schwaiger (Hrsg.): Mönchtum, Orden, Klöster – Von den Anfängen bis zur Gegenwart , C.H. Beck Verlag, München 1994
Herbert Vorgrimler: Neues Theologisches Wörterbuch , Herder Verlag, Freiburg 2000
Ernst Schubert: Alltag im Mittelalter – Natürliches Lebensumfeld und menschliches Miteinander , Primus Verlag, Darmstadt 2002
E. Werner & M. Erbstößer: Kleriker, Mönche, Ketzer , Herder Verlag, Freiburg 1994
Kleines Lexikon der Reformation – Themen, Personen, Begriffe , Deutscher Taschenbuch
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