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Das Knistern in den Sternen: Roman (German Edition)

Das Knistern in den Sternen: Roman (German Edition)

Titel: Das Knistern in den Sternen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jón Kalman Stefánsson
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allerdings nicht im oberen Pingholt, sondern mitten im Zentrum. Urgroßvater verkauft ihm sein Grundstück noch unter dem Kaufpreis, den er selbst bezahlt hat, und der Mann begreift erst am Tag danach, was für ein unglaubliches Schnäppchen er gemacht hat. Gisli regt sich so über seinen Freund auf, dass er ihm beinah eine runterhaut. »Warum?«, brüllt er. Urgroßvater aber erzählt dummes Zeug und faselt etwas von schönen Augen.

Gottes Zeigefinger
    Bestimmt hat das Erlebnis mitdem Engländer den Ausschlag gegeben: Vier Jahre lang kommt Urgroßvater kein Tropfen Alkohol über die Lippen. Voller Emphase predigt er gegen den Fluch des Alkoholismus, schreibt ein paar Artikel darüber in der Zeitung und veröffentlicht sogar eine kleine Broschüre mit dem schlichten Titel: Über meinen Bruder. Eine Geschichte großer Talente und eines noch größeren Unglücks. Mahnende Worte an die Studenten unserer Tage. Eines Tages aber genehmigt er sich in der Pumpe des Hotels Reykjavik ein Carlsberg.
    Die ganze Zeit über hat er keinen Tropfen Alkohol getrunken. Am Vormittag jedoch hat er ein lohnendes Geschäft abgeschlossen, und kurz vor Mittag erhält er eine Ausgabe der Gedichte von Steingrimur Thorsteinsson. In seiner Begeisterung sucht Urgroßvater den Dichter selbst auf und lässt sich das Buch signieren. Die beiden Männer unterhalten sich über Literatur, und der Autor lobt Urgroßvater für sein sensibles und poetisches Einfühlungsvermögen. Also ist Uropa mit sich und dem Leben hoch zufrieden. Ich finde es eigentlich überflüssig, denkt er, den Tanz des Lebens mit zu strengen Entsagungsschwüren in Fesseln zu legen. Ein Bier, vielleicht auch zwei tun doch keinem Menschen was. Unser Wille ist stark und unbeugsam.
    Neun Tage später klettert er sturztrunken auf das Dach der höheren Schule, um dem Nordlicht näher zu sein, das über den Himmel weht. Doch als er sich aufrichtet, um sich nach den wabernden Schleiern zu recken, rutscht er aus, rollt vom Dach und zieht sich einen doppelten Bruch des linken Arms zu.
    Der Arm wird nie wieder wie vorher, und Urgroßvater behauptet, das sei eine göttliche Mahnung gewesen, der Zeigefinger Gottes oder zumindest des Schicksals habe ihn vom Dach geschnipst. Gott habe nicht gewollt, dass er sich mit schwerer Arbeit aufreibe. Gott hat Urgroßvater zweimal den Arm gebrochen, um ihn daran zu erinnern, dass er ein Mann des Geistes und nicht des Handwerks sei. »Der Zeigefinger Gottes oder wenigstens des Schicksals«, verkündet Urgroßvater später immer wieder allen, die es hören wollen, und erzählt dann noch einmal die Geschichte, wie ihn dieser göttliche Zeigefinger vom Dach der höheren Schule schubste, erzählt von seinem Sturz, der ihm zweimal den Arm brach, ihn einige Wochen lang blass aussehen ließ, von Sturz und Zeigefinger, die ihn mit einem Schlag wieder nüchtern machten – neun Tage ununterbrochenen, schlaflosen Trinkens verdunsteten im Handumdrehen -, und er tritt fast wieder ruhig und bescheiden, jedenfalls würdig auf. Und genau das, sein Auftreten, seine Blässe und der empfindliche linke Arm zusammen mit den grauen Augen sind es, die Urgroßmutter schwach werden lassen, die dafür sorgen, dass ein sonst überlegtes, aber noch blutjunges Mädchen ihm hinauf in seine Dachkammer in der Vesturgata in einer entlegenen Kleinstadt namens Reykjavik folgt.

Sie duftet wie ein Berghang voller Heidekraut
    Es ist bald hundert Jahre her, seit sie ihm die steile, knarrende Stiege zu Urgroßvaters Dachkammer hinauf folgte. Viele, viele Tage haben sich seitdem durch die Scheibe des Giebelfensters gedrängt, Tausende von Nächten sind hereingeflossen und haben den Raum mit dem schwachen Licht der Sterne und des Mondes gefüllt. Ich habe unter diesem Fenster gestanden, das wahrscheinlich meinen Ursprung einrahmt, unter diesem Fenster, das belauschte, wie die Stiege unter ihren Füßen zu knarren aufhörte und wie die Tür geöffnet wurde. Es hat sie gesehen, als sie eintraten. An einem schläfrigen, sonnenerfüllten Nachmittag war es, und auf den Gesichtern der beiden lag ein uralter Ausdruck von Neubeginn, eine feine Mischung aus Schüchternheit und Wagemut, Zögern und Drängen, Traurigkeit und hemmungslosem Glück.
    Urgroßmutter tritt ans Fenster. Das sonnenglitzernde Meer breitet sich davor aus, der Snæfellsjökull hat von der Erde abgehoben und schwebt in der Luft. Urgroßvater tritt hinter sie, küsst sie auf den Nacken, sie schrickt leicht zusammen. Er ist der Erste,

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