Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Knistern in den Sternen: Roman (German Edition)

Das Knistern in den Sternen: Roman (German Edition)

Titel: Das Knistern in den Sternen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jón Kalman Stefánsson
Vom Netzwerk:
der etwas sagt.
    »Du bist weich wie die erste Dunkelheit im August«, sagt er, ohne genau zu wissen, was das bedeuten soll. Sie hat die Augen geschlossen, wagt nicht, sich zu rühren, traut sich kaum zu atmen.
    »Du bist schöner als … Teufel, jemand sollte ein Gedicht auf dich schreiben«, brummt er und streichelt ihre Schultern, ihre kleinen rundlichen und warmen Brüste, ihren weichen Po. Seine Lippen berühren ihre Stirn, die helle Stirn mit den dunklen Augen darunter. Er flüstert etwas, das ein Bruchstück aus einem Gedicht oder auch aus einem Gebet sein könnte; dann aber ist es, als kämen ihm sämtliche Worte abhanden und als würde er jegliches Selbstzutrauen verlieren.
    Da öffnet Urgroßmutter die Augen. Und ihre Hände streichen leicht über seine Schultern, verlegen und zögernd, als würden sie um Entschuldigung bitten. Dann werden sie mutiger, entwickeln Eigeninitiative, bewegen sich schließlich ganz von allein. Lieber Gott, was tue ich?, denkt sie, als ihre Rechte Urgroßvaters Hose geöffnet hat, sich in seine Unterhose vorschiebt und sich dort ganz von allein um sein hartes Glied schließt. Lieber Gott, denkt sie wieder und wieder – und beginnt dann, die Hand zu bewegen. Sie, die gerade siebzehn ist, und er, mehr als zweimal siebzehn. Sie, eine kluge und überlegte Hausangestellte, deren Selbstbeherrschung so vollkommen ist, dass ihr selbst die Hausfrau, eine ansonsten unglückliche, kleinliche und rachsüchtige Chefin, einen Respekt zollt, der sich kaum mit ihrem Standesunterschied vereinbaren lässt. Doch an diesem Nachmittag in der Dachkammer auf der Vesturgata, der zu einem Abend, einer Nacht und zu einem nächsten Morgen wird, bricht etwas in ihr auf, sie ist hemmungslos, unersättlich und fällt wie ein Wirbelwind über Urgroßvater her. Und er, der sich an Alter und Erfahrung so meilenweit überlegen dünkte, liegt völlig überwältigt, passiv und gelähmt auf seinem Bett. Erst als sie sich in ihrer rasenden Ungeduld das Kleid vom Leib reißt, kommt er wieder zu sich, pfeift ebenfalls auf die Ohren seiner Hauswirte unter ihren Füßen und schreit, nein, kreischt in wildem Entzücken. Seine Lippen, die schon zu viele Frauen geküsst haben, und seine Hände, die schon weit herumgekommen sind, haben beide noch nie etwas erlebt, das dem hier auch nur nahe gekommen wäre. Er ist von Sinnen vor Glück, es zerreißt ihn vor Wonne und Ekstase. Auch das Giebelfenster hat Derartiges noch nicht gesehen. »Das ist das Leben«, sagt es wie ein Idiot, und der Himmel erhebt sein riesengroßes Haupt.
    Auf der Suche nach meinen Ursprüngen habe ich unter diesem Fenster gestanden, auf der Suche nach etwas Handfestem oder Verlässlichem, auf dem ich sicheren Boden unter den Füßen habe, während die Erde mit einer Geschwindigkeit von zigtausend Kilometern durchs All schießt, aber ich habe kaum anderes gefunden als endlose Geschichten, als ein ununterbrochen plapperndes Giebelfenster aus ferner Vorzeit. Ich habe mir die nicht zu stoppenden schamlosen Berichte von der Hitze jener Nacht angehört, von der Hitze darauffolgender Tage und Nächte, denn es war offenbar genauso, wie es im Gedicht heißt:
    Leidenschaft so heiß,
    dass die Erde brannte
    Ja, es hingen Brandflecken am Himmel, und auch das Bettzeug geriet in jener ersten Nacht in Brand. Dabei befanden sich keine Heizkörper in der Nähe. Es war mitten im Sommer, und das Licht draußen hellweiß, färbte sich nur in der Berührung mit dem Himmel blau. Uropa meinte, die Erklärung sei schlicht und ergreifend: Ihre Leidenschaft habe die Bettwäsche in Brand gesteckt. Ja, stimmte ihm Urgroßmutter zu, denn sie hatte die Hände ausgestreckt und gesehen, wie sich ihre Finger in züngelnde Flammen verwandelten. Siebzehn Jahre war sie damals. Du meine Güte, siebzehn Jahre! Das ist ja fast noch verboten. Siebzehn Jahre, und wahrscheinlich gibt es nichts auf der Welt, was dich aufhalten kann.
    Urgroßvater: »Du lieber Himmel, was bist du wundervolle siebzehn Jahre jung!«
    Der Nachmittag, der Abend und die Nacht sind verflogen. Ein hemmungsloser Abend, eine wilde, ausschweifende Nacht. Zerschlagen und ausgepumpt wie nach einem Schiffbruch liegen sie ineinander verschlungen da, und Urgroßvater sagt das mit den siebzehn Jahren, wiederholt es bestimmt fünfzigmal wie eine Litanei und springt dann plötzlich aus dem Bett, rast die Treppe hinab und läuft mit doppelt gebrochenem Arm, doch trunken vor Glück und splitterfasernackt hinaus auf die Straße, Uroma

Weitere Kostenlose Bücher