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Das Knistern in den Sternen: Roman (German Edition)

Das Knistern in den Sternen: Roman (German Edition)

Titel: Das Knistern in den Sternen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jón Kalman Stefánsson
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Händen hat, der ist frei. Den bindet nichts. Es ist, als hätte man Flügel.«
    Wahrscheinlich ist es genau diese Einstellung, die ihn davon ausschließt, in die Zirkel der wohlhabenden Bürger in der Kleinstadt am Faxafloi aufgenommen zu werden. Ja, seine Besitzlosigkeit und das eine oder andere Vorkommnis. Besonders das denkwürdige Besäufnis mit dem Engländer. Auf der Suche nach einem Revolver waren sie durch Reykjavik gelaufen und hatten dabei mit dem Dokument herumgewedelt, in dem Urgroßvater mit seiner Unterschrift bestätigte, dass er dem verhunzten Leben des Briten ein Ende zu setzen gedachte. Die Erklärung war allerdings in Englisch aufgesetzt, und keiner von denen, die die Urkunde gesehen hatten, war dieser Sprache mächtig. In strömendem Regen waren sie ohne Erfolg durch die Straßen gestreift und allmählich müde geworden – dann war der Engländer verschwunden und nie wieder aufgetaucht.
    Einige Tage später machte sich das Hotelpersonal Gedanken über den Verbleib des Mannes, sein Verschwinden wurde der Polizei gemeldet und Urgroßvater zur Vernehmung einbestellt. Er sagte aus, der Wisch mit der Erklärung sei selbstverständlich nur ein Scherz gewesen, ein zugegeben geschmackloser Scherz. Ansonsten könne er sich an kaum etwas erinnern und gab zu bedenken, man habe fast fünf Tage lang pausenlos getrunken. »Ich weiß nur noch, dass er im einen Augenblick noch neben mir stand und im nächsten verschwunden war. Ich meine mich zu erinnern, dass ich mich noch nach ihm umgesehen und seinen Namen gerufen habe. Dann bin ich nur noch zum Schlafen nach Hause gegangen. Ich war vollkommen erledigt. Ich dachte, er sei in sein Hotel zurückgegangen.«
    Die Polizei nahm ihm seine Aussage ab, doch eine leise Ungewissheit, ein Verdacht ist an ihm hängen geblieben und seiner Aufnahme in die feine Gesellschaft nicht gerade förderlich. Er wohnt auch weiterhin in dem Giebelzimmer, das Immobiliengeschäft läuft ganz gut, und irgendwann kommt er an ein teures Grundstück in der Innenstadt. Er kann es für einen äußerst günstigen Preis erwerben, einen lächerlich geringen Preis. Er und seine Klienten sind überzeugt, dass sich der Wert des Grundstücks in den kommenden Jahren vervielfachen wird.
    »Was hast du nur für einen unglaublichen Dusel«, sagt Gisli und schüttelt den Kopf. »Warte ein paar Jahre und du verdienst dich dumm und dämlich daran.« Und Urgroßvater weiß genau, dass nicht nur ein neuer Anzug dabei herausspringt, sondern dass sich sein Leben ändern und er ein schwerreicher Mann sein wird. Gisli räsoniert schon, wie man das Geld am besten anlegt, ob sich Urgroßvater in ein
    Unternehmen einkaufen oder Häuser bauen und die Wohnungen vermieten soll. Da taucht eines Tages, nur wenige Monate, nachdem Urgroßvater an jene Immobilie gekommen ist, ein Mann bei ihm auf und erklärt, er wolle ein Grundstück kaufen, um ein Haus zu bauen, am besten ein billiges Grundstück. »Ich habe nicht sonderlich viel Geld zur Verfügung«, sagt der Mann entschuldigend.
    Ein geläufiges Problem, das Urgroßvater nicht weiter aus dem Konzept bringt. Der Mann ist ihm bekannt. – Ach, was sage ich? In dieser Kleinstadt ist jeder mit jedem bekannt. Die beiden kennen sich nicht näher, aber Urgroßvater hat nicht selten an die Frau des Mannes gedacht, sie hat hübsche Augen und so hellblondes Haar, dass es ihn an leuchtenden Sonnenschein erinnert. Er hat sich schon das eine oder andere Mal mit ihr unterhalten, hat vor ihr einen Diener gemacht, und einmal stand er so nah bei ihr, dass er die hellen Sommersprossen auf ihrer Nase zählen konnte. Aber viel mehr hatte sich nicht zwischen ihnen abgespielt.
    Und jetzt will der Ehemann ein Grundstück am Rand des bebauten Stadtareals kaufen, zum Beispiel oben auf Þingholt.
    »Tja«, sagt Urgroßvater, »komm doch in zwei Tagen wieder. Dann habe ich was für dich.«
    Zwei Tage! Es hätte keine zwei Minuten gebraucht, ihm ein Grundstück in der angesprochenen Gegend zu besorgen. Doch »komm in zwei Tagen wieder« hat Urgroßvater gesagt und belagert dann eineinhalb Tage lang die Wohnung des Ehepaars. Er sieht, wie die Frau das Haus verlässt, überlegt kurz, welchen Weg sie wohl nehmen wird, und läuft einen großen Bogen, um ihr in einer ruhigen Straße entgegenzukommen. Da zieht er seinen Hut, lächelt und blickt ihr tief in die Augen.
    Das ist alles.
    Eine Stunde später teilt er dem Ehemann mit, er könne ein überaus wertvolles Grundstück erwerben, es liege

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