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Das Knochenhaus

Das Knochenhaus

Titel: Das Knochenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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ihn unterhielten.
    So dankbar er auch für das Essen und die Möglichkeit war, ein wenig zu sitzen und sich auszuruhen, so vermochte er doch nicht das Gefühl zu unterdrücken, dass seine nächste Tat darin bestehen musste, von hier zu fliehen. Allerdings gab es wenig Hoffnung darauf, wie er befand, während ihn alle anderen beobachteten. Er würde warten müssen, bis das Lager schlief, um sich auf den Weg zu machen.
    Kit hatte die Absicht, zur Ley-Linie zurückzukehren und dort eine Stelle zu finden, wo er warten konnte, bis Wilhelmina auftauchen würde – falls sie nicht schon da war. Hätte er das von vornherein getan, wäre er jetzt nicht in dieser unmöglichen Situation. Wenn er nur daran dachte, wie sich Mina zweifellos dumm und dämlich nach ihm suchte und leise murmelnd seinen Namen mit dunklen Flüchen belegte – verdientermaßen, wie er zugeben musste –, wurde er noch viel mehr darauf erpicht, endlich aufzubrechen.
    Dann kam ihm ein anderer und sogar noch schlimmerer Gedanke: Vielleicht hatte er sie ja bereits verpasst! Was, wenn sie wie geplant erschienen war, ihn nicht angetroffen hatte und unverzüglich wieder aufgebrochen war, um anderswo zu suchen? Was dann?
    Es war unerträglich, darüber nachzudenken, was er auch versuchte; doch die deprimierende Vorstellung versetzte ihn in eine besorgte und gereizte Stimmung. Die Mahlzeit ging noch längere Zeit weiter – und das in einem Tempo, das nur als gemächlich bezeichnet werden konnte. Kit geriet zunehmend in Angst darüber, dass er sich immer noch nicht auf den Weg gemacht hatte. Als schließlich die jüngeren Urmenschen anfingen, müde zu werden und einzuschlafen, hoben einige der älteren sie auf und trugen sie in die nahe gelegenen Lauben. Nachdem zu guter Letzt das Fleisch aufgegessen war, gingen auch die anderen schlafen: Die meisten betteten sich nieder im Schutze ihrer belaubten Hütten, doch einige der jungen Männer rollten sich in den Hohlräumen zwischen den Wurzeln der größeren Bäume zusammen oder einfach auf dem Boden in der Nähe des Feuerrings. Großer Jäger kroch in seinen Unterschlupf hinter dem Holzblock und gab Kit mit ein paar Handzeichen zu verstehen, sich zu ihm zu gesellen. Mit einem Widerwillen, der bereits an Furcht grenzte, fügte sich Kit. Dabei dachte er, dass jede Weigerung durch ihn nur das Unvermeidliche hinauszögern würde – oder schlimmer noch, den Verdacht seines Gastgebers wecken könnte, der dann möglicherweise Vorkehrungen träfe, um jegliche Flucht zu verhindern.
    Und so kroch Kit in die Laube, um zu warten. Das Problem jedoch war, dass es im Innern der primitiven, aus Ästen errichteten Hütte um vieles bequemer war, als er je für möglich gehalten hätte. Der Boden war abwechselnd belegt mit Schichten aus Moos und Blättern, die durch trockenes Gras abgedeckt waren. Es gab sogar Kissen – Tierpelze, die zu Beuteln gerollt und mit Gras und ausgerechnet noch mit wohlriechendem Lavendel gefüllt waren. Die Aufregungen des Tages – der vor langer Zeit und weit, weit weg begonnen hatte –, verbunden mit einem großen Pensum gesunder Bewegung, führten dazu, dass Kits Entschluss erstickt wurde. Auf Wolken aus Lavendel dämmerte er in den Schlaf hinüber und träumte bald von Lämmern, die auf sonnengesprenkelten Wiesen herumtollten.
    Mit dem Gesang der Schwarzkehl-Nachtschwalbe, die in einem nahe gelegenen Baum saß, wachte er wieder auf. Ansonsten war das Lager friedlich und ruhig. Er nahm an, dass bis zum Beginn der Morgendämmerung noch eine ganze Weile vergehen würde. Großer Jäger schlief fest; er atmete tief und regelmäßig. Kit sammelte sich, kroch so leise wie nur möglich hinaus und entfernte sich von der Hütte. Statt das Lager zu durchqueren, schlich er seitlich um es herum und dann direkt in den Wald hinein.
    Sobald er aus dem Lager war, blieb er stehen. Der Mond stand niedrig, doch es gab immer noch genug Licht, um den Weg zu finden, ohne immer wieder ins Stolpern zu geraten. Er lauschte auf das Plätschern des Flusses und folgte anschließend dem Geräusch, bis er das felsige Ufer erreichte. Die abgerundeten Steine erschienen ihm wie Auswüchse übergroßer Pilze; sie waren grau und weiß im matten Mondlicht, und das Wasser schimmerte überall schlüpfrig und silbern.
    Seine Aufgabe, so dachte Kit, bestand lediglich darin, die Strecke durch das Tal zurückzuverfolgen, bis er die Stelle erreichte, wo er die Schlucht betreten hatte. Er hatte eine ziemliche Entfernung zurückzulegen, jedoch

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