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Das Knochenhaus

Das Knochenhaus

Titel: Das Knochenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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alles Stoßen und Stupsen und Plappern auf. Als das letzte Geräusch vom Wald verschluckt worden war, herrschte Schweigen auf der Lichtung. Großer Jäger schob sich durch den Mob und nahm Kit mit einer besitzergreifenden, Kontrolle beanspruchenden Geste in seine Obhut: Mit der einen mächtigen Hand umschloss er Kits Kopf, die andere ballte er zur Faust und schlug sie gegen seine Brust. Die anderen schienen dies zu verstehen, und ihre Art der Interaktion verwandelte sich schlagartig: Alles verlief nun ruhiger und respektvoller.
    Durch diese einfache Handlung wurden Grundregeln aufgestellt, die selbst Kit nicht missverstehen konnte. In dem einen Moment war er ein seltsames neues Tier, das man gefangen genommen hatte, um es zu beobachten und zu beurteilen, und im nächsten war er ein Gast. Man hatte ihm einen neuen Status verliehen und dabei Grenzen errichtet. Er sollte nicht gestoßen oder mit Stöcken gestochen werden; und er sollte nicht zu ihrem Vergnügen geschlagen oder Gegenstand ihres Geplappers werden. Dennoch starrten die anderen ihn weiter an und begannen leise zu murren.
    Großer Jäger ignorierte allerdings das Verhalten seiner Mitgeschöpfe; er berührte Kit am Arm und gab mit einem Wink zu verstehen, dass er ihm folgen sollte. Kit wurde über die Lichtung zur größten Laube im Lager geführt. Quer vor dem Eingang lag der Länge nach ein Holzblock, vor dem sich ein Ring aus großen Flusssteinen befand, in dessen Mitte ein Haufen glühender Holzkohleasche war. Der Aufbau war genau die Art von Biwak, wie sie von Pfadfindern für ihre ausgelassenen Treffen im Wald gestaltet wurden: eine großzügige Feuerstelle mit Sitzbänken.
    Inzwischen war es fast dunkel auf der Lichtung, obschon Teile des Himmels, die durch Löcher im Blätterdach zu erkennen waren, immer noch ein wenig Blassrosa aufwiesen. Kit musste sich auf den Holzblock setzen, während trockene Äste zerbrochen und auf die schwelende Kohleasche des vorherigen Feuers geworfen wurden. Im Nu wurde die Lichtung von einer Flamme erhellt, die sich ständig vergrößerte, während man mehr und mehr Holz in sie hineinwarf. Die älteren Urmenschen beschäftigten sich auf die eine oder andere Weise; Kit vermochte nicht zu erkennen, was sie taten, weil sie sich dabei so dicht zusammendrängten. Und während die älteren arbeiteten scharten sich die jüngeren um Kit, um ihn zu beobachten – wie er das Feuer beobachtete.
    Dann sah er, wie einige der älteren ein langes grünes Schilfrohr mit aufgezogenen Fleischstücken hervorholten. Kit wusste nicht, von welcher Tierart diese Brocken stammten, doch sie waren rot und frisch. Noch mehr von diesen behelfsmäßigen Bratspießen tauchten auf und wurden ins Feuer gelegt; und schon bald saß die gesamte Gruppe rund um die Feuerstelle mit dem röstenden Fleisch auf dünnen Spießen. Der Duft von brutzelndem Fett und Fleischsaft ließ Kit das Wasser im Mund zusammenlaufen. Obwohl sein Sitz gewiss der Ehrenplatz war, beachtete ihn niemand. Augenscheinlich galt hier, dass Zeremonielles warten konnte, wenn es um die wichtigen Dinge des Lebens ging, wie etwa die Zubereitung des Essens.
    Als der erste Spieß fertig war, nahm ihn sich Großer Jäger und biss ein ordentliches Stück ab. Die anderen beobachteten ihn, während er kaute. Schließlich hob er sein Kinn, und alle anderen gingen dazu über, ihre Bratspieße vom Feuer wegzuziehen und mit dem Essen zu beginnen. Der Anführer erhob sich von seinem Platz am Feuer, trat auf Kit zu und hielt ihm das Schilfrohr entgegen. Kit nickte lächelnd und streckte die Hand aus, um es zu nehmen. Doch dann zog er nur einen Happen gebratenen Fleisches vom verkohlten Schilfrohr ab und steckte es sich, sehr zur Freude der anderen, in den Mund.
    Großer Jäger gab einen polternden Laut von sich, hob zwei ungebratene Fleischspieße auf und gab den einen davon Kit, während er den anderen für sich behielt. Dann setzte er sich neben seinem Gast auf den Holzblock nieder und unterwies Kit mit Gesten und Grunzlauten in der Kunst, wie man Fleisch an einem Schilfrohr briet. Kit erwies sich dabei als williger und begabter Schüler, wobei er sich in dieser Rolle etwas seltsam vorkam – als ob er für so etwas irgendeine Ausbildung nötig hätte. Seine offenkundige Fähigkeit, sich selbst so fachmännisch zu ernähren, schien der Versammlung zu gefallen. Die anderen unterhielten sich leise und ließen Kit durch zahlreiche leichte Rippenstöße und viele scheue Blicke wissen, dass sie sich über

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