Das Knochenhaus

tippte auf den Kiesel und wiederholte das Wort.
    Nur um zu sehen, ob er richtig verstanden hatte, warf Kit den Kieselstein fort und klopfte leicht auf die glatte steinerne Oberfläche des Felssimses, auf dem sie saßen. »Was?«
    Erneut wurde dasselbe Wort gesagt: tok . Und Kit hatte seinen Steinzeit-Wortschatz erfolgreich verdoppelt. Er wusste nun das Wort für Stein und konnte es in seinem geistigen Wörterbuch zum Begriff für Bär hinzufügen. Als Nächstes versuchten sie es mit Wasser, das, wie sich herausstellte, einfach nah hieß.
    »Nah?« , fragte Kit und ahmte ihren fragenden Gesichtsausdruck nach, indem er seine Augenbrauen hob. Dann goss er Wasser aus einer Kürbisflasche ins Wasserreservoir zurück und tauchte seine Hand ein. »Nah.« Er schüttelte das Nass von seinen Fingern.
    »Nah« , sagte sein kleiner Lehrer und wies auf den Teich. Anschließend tauchte er seine eigene Hand ins Nass und schüttelte sie. Danach formte er seine Hand zu einer Schale, schöpfte etwas Wasser und schlürfte es auf. »E-na.«
    Der Unterricht wurde fortgeführt, bis sie sahen, dass die Erwachsenen gleich zurückkehrten; zu diesem Zeitpunkt hatte Kit ein Dutzend neue Wörter gelernt. Er wollte noch ein wenig an seiner neuen Errungenschaft feilen, damit er sie voller Stolz den Älteren vorführen könnte, wenn sie sich an diesem Abend versammelten; doch dazu wurde ihm keine Gelegenheit gegeben. Sobald die ersten Erwachsenen eingetroffen waren, hob sein kleiner Lehrer vor den Augen aller Anwesenden einen Stein auf und zeigte ihn Kit mit einem Ausdruck von solch gespannter Erwartung, dass Kit ein Lachen nicht unterdrücken konnte. »Tok« , erklärte er.
    Die Wirkung war überwältigend – als ob er einen Feuerwerkskörper gezündet oder ein Kaninchen aus dem Hut gezaubert hätte. Alle scharten sich sogleich um ihn, und ehe er sich’s versah, bot ihm jeder ein Felsstück oder einen Kieselstein an, nur um zu hören, wie er das Wort sagte. Er fuhr fort, indem er zeigte, dass er die Wörter für Wasser und das Trinken beherrschte – dann für Holz, Feuer, Hand, Bein, Arm und den Rest, den er gelernt hatte. Zum Schluss, als er ihre gespannte Aufmerksamkeit hatte, legte er sich die Hand flach auf die Brust und sagte: »Kit.«
    Seine Geste rief verblüfftes Schweigen hervor. Er wiederholte die Handbewegung und sprach ein weiteres Mal seinen Namen aus. Die Mitglieder des Stammes betrachteten ihn mit fragender Mimik: Sie runzelten die wuchtige Stirn und kniffen die breiten Gesichter zusammen. Kit begann, immer wieder gegen seine Brust zu klopfen und seinen Namen zu sagen; er sprach langsam und deutlich – unbedingt wollte er, dass sie ihn verstanden. Seine wiederholten Versuche schafften es nicht, zu irgendeinem Ergebnis zu führen, bis Großer Jäger nach vorne trat: Er legte sich die eigene Hand auf die Brust – eine nahezu perfekte Imitation von Kits Geste – und sprach mit einer Stimme, die irgendwo tief aus dem Boden zu kommen schien: »Dar-dok.«
    Kit wiederholte das Wort für sich selbst, zeigte dann auf Großer Jäger und sagte: »Dar-dok.« Anschließend wies er mit der gleichen Geste wieder auf sich selbst und sprach ein weiteres Mal seinen Namen aus.
    Großer Jäger – oder besser gesagt Dardok – straffte sich und sagte mit offenkundigem Stolz: »Kit.«
    Über die Tatsache, dass es mehr wie »Ghidt« klang, ließ sich leicht hinwegsehen, als Dardoks Erfolg ringsum Ausdrücke verwunderten Entzückens hervorrief. Dann begann der Rest des Stammes, den Namen von Kit zu skandieren. Und er freute sich sehr, dass er eine Kommunikationskluft erfolgreich überbrückt hatte: Er konnte sowohl Wörter lehren als auch von ihnen lernen.
    Selbstverständlich hatten sie gerade erst damit angefangen. Eine junge Frau mit direktem Wesen drängelte sich zu Kit, zeigte auf seine Brust und wiederholte seinen Namen. Dann legte sie die Hand auf sich und sagte mit bemerkenswert deutlicher Aussprache: »Ne-ek.«
    Kit meisterte rasch diesen Namen. Augenblicklich wurde er vom gesamten Stamm quasi überflutet: Alle drängten gleichzeitig nach vorne, und jeder sprach einen Namen aus und forderte, dass Kit ihn wiederholte.
    In der folgenden Zeit verbrachte Kit, neben der Erforschung des grünen Buches, jeden Tag eine gewisse Zeit damit zu, neue Wörter dem Gedächtnis einzuprägen; und wenn er einmal seinen Wortschatz nicht erweiterte, dann übte er die bereits erlernten Vokabeln. Auf diese Weise eignete er sich allmählich einen Sprachschatz