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Das Knochenhaus

Das Knochenhaus

Titel: Das Knochenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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wiederholte Wilhelmina und beobachtete, wie ihre neue Verbündete über den großen Marktplatz lief. »Wir stecken bis über beide Ohren drin, teure Freundin«, flüsterte sie. »Sei ehrlich zu mir, und ich werde dich lieben wie eine Schwester. Verrate oder betrüge mich, und du wirst wünschen, du wärest niemals geboren.«

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DREIUNDDREISSIGSTES KAPITEL

    A lle Bäume entlang des Flusses verfärbten sich und erzeugten spektakuläre Rot-, Orange-und Gelbtöne. Und als Kit eines Morgens erwachte, sah er, wie fast alle Blätter gleichzeitig in einem stillen goldenen Sturm hinabfielen. Am nächsten Tag kam der Regen ins Tal, und ein kalter Nordwind riss die verbliebenen Blätter von den Bäumen. Der Stamm sammelte all seine Waffen und Werkzeuge – die stabilen Speere und Äxte, die Schaber und Stößel, die kurzen Messer mit den Steinklingen –, schnürte seine Felle, Schlafmatten und Rollen aus geflochtenen Faserseilen zusammen und machte sich zum Aufbruch bereit.
    Dies geschah, wie so vieles andere auch, ohne dass sie sich in irgendeiner Form besprachen; zumindest konnte Kit kein Gespräch darüber ausmachen. Sie verstanden einfach, dass heute Umzugstag war, und jeder begann, seine Sachen einzusammeln. Kit packte mit an, indem er die Felle zusammenrollte, auf denen er schlief, und sich Speere auf die Schulter lud. Er hatte die Erfahrung gemacht, dass alles, was er tat, um den anderen bei ihren Aufgaben zu helfen, stets vom Stamm bemerkt wurde, der ihn mehr und mehr als ein exotisches und unerwartet nützliches Haustier zu betrachten schien.
    Als alles zusammengepackt war, führte Großer Jäger sie durch das Tal zurück. Während sie dem Fluss stromabwärts folgten, konnte Kit, dank der zumeist kahlen Bäume und Sträucher, einen besseren Eindruck von der Größe und Form der imposanten Kalksteinschlucht bekommen, die ihr Heim war. Streckenweise türmten sich die grauen Steinwände Hunderte von Fuß über ihnen. Manchmal standen die Wände so nah beieinander, dass allein dadurch die enge Kluft zwischen ihnen ständig im Schatten lag; und manchmal lagen sie so weit voneinander entfernt, dass sie nichts weiter als ein schemenhafter Hintergrund waren, der sich über dem Wald erhob. In den engen Bereichen der Schlucht eilte der Fluss über ein unebenes Bett aus Steinen, die immer wieder in Bewegung gerieten. Doch wo die Wände zurücktraten, wurde das Wasser breiter und tiefer und verwandelte sich in einen dunklen, träge dahinströmenden Fluss. Doch ob er schnell und flach oder tief und langsam war – er wand und schlängelte sich stetig durch das zumeist aus Laubbäumen bestehende Waldland.
    Den ganzen Morgen marschierten sie und hielten erst gegen Mittag an, um eine Pause einzulegen. Sie rasteten in einem Hain am Rande einer weiträumigen Wiese, deren langes Gras nun trocken war. Dort pflückten und aßen sie ein paar späte Brombeeren und faulenzten anschließend in der Sonne, die von einem totenbleichen Himmel herabschien und nur spärlich Wärme verströmte. Kit fand einen flachen Felsen, auf dem er sich ausstreckte und ein Nickerchen machte, bis die Zeit gekommen war, wieder weiterzumarschieren. Sie wanderten ohne Unterbrechung, bis die Sonne hinter den Spitzen der Felswände verschwand. Dann entdeckten sie in der Nähe des Flusses eine Höhle, wo sie ein schlichtes Lager aufschlugen.
    Kein Feuer wurde in dieser Nacht entzündet, und Kit musste nun feststellen, wie ungeeignet seine Bekleidung geworden war. Er wickelte sich in seine Schlaffelle ganz fest ein, nichtsdestotrotz verbrachte er die meisten der langen dunklen Stunden zitternd und schlaflos. Er hatte gewusst, dass irgendwann der Tag kommen würde, an dem er seine Garderobe mit Pelzen erweitern musste, wie sie der Fluss-Stadt-Clan trug. Doch er hatte geglaubt, er würde noch ein wenig mehr Zeit zur Verfügung haben, um sich angemessen auszustatten.
    Früh am nächsten Morgen brachen sie das Lager ab und zogen am Fluss entlang, der immer tiefer wurde. Als sie am Pfad vorbeikamen, der den Ley markierte, testete Kit einmal mehr die Ley-Lampe. Sie reagierte wieder nicht. Er hatte zwar nichts anderes erwartet, dennoch setzte er die Reise mit ein wenig schwereren Schritten als zuvor fort. Der Stamm hielt nur an, um kurz zu rasten und zu trinken, und erreichte seinen Bestimmungsort, als die Sonne hinter der oberen Kante der Schlucht versank. Ihr neues Heim war ein gewaltiger Felssims im Kalkstein, der aus der großen senkrechten Wand der Schlucht

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