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Das Knochenhaus

Das Knochenhaus

Titel: Das Knochenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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seiner Oberfläche dahinströmte. Und mit dem Berg kam Schnee. Kit konnte die Verwehungen sehen, die über der Landschaft stärker wurden – die sich ausbreiteten, sich miteinander verschmolzen und das Land einhüllten. Sie legten sich auf die Felsen und Bäume, füllten die Täler und bedeckten alles. Und immer noch fiel der Schnee – als ob sich die unerschöpflichen Himmelsgewölbe des Winters geöffnet hätten und ihre unendlichen Vorräte auf die Welt herabschütteten.
    Und während der ganzen Zeit schlingerte der Berg näher heran: ein Gletscher in Bewegung, der während des Näherkommens noch wuchs und alles vor sich her trieb – Bäume, Felsen und Felsblöcke, ja ganze Hügel sogar. Immer weiter kam er heran; mit dem tiefen Grollen eines konstanten Donners zerriss und zermahlte und vernichtete er alles, das unter die massive Mauer seiner Vorderkante fiel. Er meißelte das Land aus, schnitt tief in den weichen Boden des Flusstals; sein gewaltiges Gewicht formte auf jeder Seite neue Hügel und gestaltete die Landschaften, während er durch sie zog.
    Und immer noch wuchs der Eisberg und breitete sich aus, während er herankam. Inzwischen erstreckte er sich von einem Horizont zum anderen, sammelte die Kälte, legte die Flüsse trocken, senkte die Meeresspiegel und laugte aus allem, was er berührte, die Feuchtigkeit aus. Von der eigentlichen Atmosphäre bis zur Luft wurde alles trocken und spröde. Und immer noch wuchs er. Er schimmerte mit einer schrecklichen Majestät unter dem leuchtenden Band aus Licht, das der unentwegt rasende Mond war: ein Kontinent aus Eis in Bewegung, der Gebirge in die Höhe trieb, Schluchten ausschnitt und die Erde sich neigen ließ, indem er weiterging.
    Weitere Bilder kreisten vor Kits unverwandtem Blick: eine endlose Reihe gewaltiger Wollhaarmammuts taumelte über eine Ebene, wo der vom Wind gepeitschte Schnee hochstieb ... Feuer fiel in brennenden Stücken vom Himmel, die so groß wie Felsbrocken waren, und setzte die Hügel in Brand ... ein Ozean wurde fest verschlossen, seine Wellen in harte, bewegungslose Spitzen geschlagen ... die knochendürren Kadaver von verhungerten Kreaturen, die sich in einem gefrorenen Sumpf häuften ... ein Bär auf seinen Hinterbeinen, der an der Rinde eines Baumes nagte ... ein Mann, eine Frau und zwei Kleinkinder, die in Wolfsfellen gekleidet und für immer in einer gefrorenen Umarmung zusammengedrängt waren ... ein Hochgebirgspass, der nach unten zu Ländern führte, die noch immer grün waren, zu Ländern, die das schmerzliche Brennen der tödlichen Kälte nicht gefühlt hatten ... Und immer mehr Darstellungen kamen, schneller und schneller, bis die einzelnen Bilder nicht mehr voneinander getrennt werden konnten.
    Kit wurde schwindelig von dem, was er gesehen hatte, und schloss seine Augen. Doch die Bilder blieben bestehen; sie waberten durch sein Bewusstsein in einem Nebel aus Bewegung und Licht: Sie schmolzen ineinander und wirbelten herum; alle Einzelheiten wurden gedämpft und gingen schließlich verloren, schlossen sich in einem dichten, leuchtenden Nebel zusammen, der sich in der Milchstraße auflöste – dem unermesslichen Sternenpfad der Galaxie. Der schimmernde Nebel zerstreute sich langsam, bis er schließlich verschluckt wurde von der ewigen Finsternis des leeren Raumes.

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FÜNFUNDDREISSIGSTES KAPITEL

    B enommen und erschöpft wartete Kit darauf, dass die Morgendämmerung den Himmel erhellte, damit er zum Knochenhaus zurückkehren konnte. Wenn ein Heilmittel gegen diesen konfusen Zustand gefunden werden konnte, dann – so stellte er sich vor – möglicherweise dort. Als die ersten schwachen Spuren von Tageslicht der Winterlandschaft unterhalb des felsigen Unterschlupfs Konturen verliehen, erhob sich Kit. Vorsichtig schritt er über die schlafenden Körper in seiner Nähe hinweg, stahl sich den schmalen Pfad ins Tal hinunter und begann dann, zum hoch gelegenen Waldgebiet emporzusteigen.
    In der Nacht war frischer Schnee gefallen. Kit pflügte durch die Verwehungen und bewegte sich mit drängender Eile, die aus einer von sorgenschweren Träumen heimgesuchten Nacht herrührte. Er erreichte das Waldgebiet auf dem Plateau über dem Tal, und da er mit herumschleichenden Raubtieren rechnete, hastete er so schnell wie möglich durch den eisigen, in den Fesseln des Winters liegenden Wald zu der Lichtung. Sie war weiter entfernt, als er sie in Erinnerung hatte. Die Ungeduld trieb ihn zu noch größerer Eile an, bis er aus dem Wald auf

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