Das Koenigreich des Sommers
klangen. >Ist es wahr, daß er einer unsterblichen Rasse angehört?<
Ich sagte ihr, ja, es stimmt, und als sie mich weiter fragte und wieder lächelte, erzählte ich ihr die ganze Geschichte. Es ist nicht meine Gewohnheit, sie zu erzählen, und mit Sicherheit erzähle ich sie nicht, um jemanden zu beeindrucken. Aber sie war sehr angetan davon, und sie hörte mit leuchtenden Augen zu, und ihre Lippen öffneten sich ein wenig.
>Also bin ich mit dem besten aller Pferde gesegnet<, sagte ich ihr, als ich mit der Geschichte fertig war, und ehe ich wußte, was ich sagte, fuhr ich fort: >Aber er braucht Auslauf, wie jedes andere Pferd auch. Kennst du einen guten Platz zum Reiten, Herrin?<
>Herfydds Wald<, erwiderte sie, >das ist ein sehr schöner Ort. Es gibt da offene Wiesen, wo Pferde galoppieren können.< Und dann hielt sie inne und fügte hinzu: >Heute nachmittag bringe ich meine Stute dorthin, wenn du willst, daß ich dir den Weg zeige.<
>In der Tat würde ich mir das wünschen, und ich wäre dir sehr dankbar<, sagte ich, >auch, wenn du mir den Wald zeigen würdest<. Leise stimmte sie zu.
Außer Höflichkeit hatte nichts in ihren Worten gelegen, nichts, wodurch man Verdacht hätte schöpfen können. Die ganze Zeit waren ihre Diener dabei. Aber wir konnten reden. Es war ein herrlicher Ritt. Ich kann mich nicht mehr an das erinnern, worüber wir sprachen, nur, daß ich sehr viel redete und sie zum Lachen brachte. Ihr Lachen war wie das Flattern von Vogelschwingen, und meine Gedanken flogen. Als wir nach Ebrauc zurückkehrten, fragte ich sie, ob sie noch andere gute Plätze zum Reiten kenne, denn obwohl ich Herfydds Wald genossen hätte, sei doch Abwechslung etwas Angenehmes. Sie sagte ja, es gäbe noch Bryn Nerth, ein Gelände, das sie mir auch zeigen könne, wenn ich Lust hätte. So ritten wir am nächsten Tag wieder zusammen, und am nächsten, und am nächsten. Die Welt war für mich wie Lachen und Sonnenlicht in den Bäumen, voller Schimmer und tanzendem Licht.
Aber nachdem wir es fünf Tage so gehalten hatten, erschien sie zur ausgemachten Zeit mit einem ernsten, kühlen Gesicht und sagte mir, sie könne an diesem Tage ihre Stute nicht ausreiten. Ich stritt mich mit ihr, aber sie suchte Entschuldigungen und ging. Am Ende ritt ich allein hinaus, ich war sehr zornig. Ich ritt im vollen Galopp, bis Ceincaled schwitzte und gern anhalten wollte, und das dauert sehr lange. Es war deutlich genug zu sehen, warum sie nicht gekommen war. Bran hatte Verdacht geschöpft - er hatte wohl bemerkt, daß diese gemeinsamen Ausritte nicht nur Höflichkeit waren. Er hatte mit Elidan geredet, hatte sie vor mir gewarnt oder ihr befohlen, nicht mehr mit mir auszureiten. Ich sagte mir, ich hätte sie von Anfang an darum bitten sollen, mit mir zu kommen. Es war Wahnsinn, sie zu begehren oder überhaupt die Hoffnungen zu hegen, die in mir waren. Ihr Bruder mochte sie sehr - und sie mochte Bran, wenn man genau hinsah. Selbst wenn ich an irgend etwas Dauerhaftem interessiert gewesen wäre, was nicht der Fall war, selbst dann wäre es unmöglich gewesen. Man kann nicht den Ehebund mit einer Frau schließen, deren Familie mit dem eigenen Herrn verfeindet ist. Und wenn es keine Ehe war, dann hätte Bran gute Gründe gehabt, eine Rebellion vom Zaun zu brechen. Ich schuldete es meinem Herrn Artus, meiner Ehre als Gast und Botschafter und ihrer Ehre als Edelfrau, sie in Ruhe zu lassen.
Ich entschloß mich, nicht mehr als höflich zu sein, und ich hielt meine guten Vorsätze auch, wenigstens eine Woche lang. Aber bei Nacht, in meinen Träumen, hielt ich sie in den Armen, und als ich allein die Harfe spielte, stellte ich fest, daß ich von ihr sang, und ich begann mir zu überlegen, wie wir Bran hintergehen konnten. Viele Möglichkeiten fielen mir ein. Und dann, eines Tages, sah ich sie in einem Gang im Palast. Sie war allein. Ohne nachzudenken, packte ich ihr Handgelenk. >Ich reite morgen nach dem Mittagmahl in Herfydds Wald<, flüsterte ich ihr ganz leise ins Ohr. Dann ließ ich sie los und ging weiter, und ich spürte ihre Blicke auf mir, bei jedem Schritt. Nachher habe ich mich dafür verflucht, daß ich das gesagt hatte, und ich entschloß mich, am nächsten Tag nicht in den Wald zu reiten. Aber ich ritt. Eine Stunde oder so verbrachte ich damit, allein umherzureiten, und dann wendete ich verärgert mein Pferd - ich traf sie am Waldrand. Sie hatte nur einen Diener bei sich, einen alten Mann, dem ein halbes Ohr fehlte und dessen Blicke
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