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Das Koenigreich des Sommers

Das Koenigreich des Sommers

Titel: Das Koenigreich des Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Bradshaw
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der von Artus ist er in ein Verbrechen hineingezogen worden und quält sich jetzt mit Mißtrauen und Zweifeln. Wenn er sich seinem Land und seinem Clan geschenkt hätte, wenn er dort alles in Ordnung gehalten hätte und wenn der Pendragon das gleiche getan hätte, dann hätten wir einen Ort schaffen können, wo dieses Verbrechen nie geschehen wäre.«
    »Aber die Sachsen hätten den Hof zerstört«, sagte ich. »Vater, ich muß weg. Vielleicht hast du recht, aber ich muß trotzdem weg.«
    Er sprang auf. Er packte mich an den Schultern und schüttelte mich. »Bedeuten wir dir so wenig?«
    »O nein, nein.« Ich konnte kaum sprechen, und es war mir schrecklich, daß ich trotz allem immer noch so sehr den Drang verspürte zu gehen. »Ihr bedeutet mir soviel. Aber ich muß gehen. Gib mir deinen Segen auf die Reise.«
    Er schaute mir ins Gesicht, und ich sah ihn an. Er hatte ein starkes, kraftvolles Gesicht, wie ich es immer gesehen hatte. Aber es waren jetzt Runzeln darin, und die blauen Augen schauten müde. Er wurde älter. Das war mir nicht aufgefallen.
    »Wenn ich dich nicht willig gehen ließe, dann würdest du einfach so weglaufen, nicht wahr?« fragte er.
    Mir wurde kalt. Daran hatte ich nicht einmal gedacht. Aber ich nickte. Er hatte ganz recht. Nachdem ich erklärt hatte, warum ich weg mußte, war es unmöglich geworden, nicht mehr zu gehen.
    »Also gut. Dann geh, mit meinem Segen. Du bist ein guter Mann, Rhys, und dein Wunsch ist letzten Endes ehrenhaft und gerecht. Vielleicht irrst du dich nicht. Vielleicht sind wir hier draußen nicht stark genug. Vielleicht geht die Sonne wirklich in Camlann auf.« Er legte die Arme um mich und schenkte mir eine seiner Bärenumarmungen. »Aber denk daran, daß wir noch hier sind«, flüsterte er, »und wenn du es je kannst, dann komm zurück.«
    Er ließ mich los und schritt abrupt zur Tür, um meine Mutter zu rufen.
    Meine Familie war erstaunt und verwirrt. Sie riefen mir Fragen zu, auf die ich die Antwort nicht wußte. Gawain kam aus dem Stall mitten in den Wirbel herein, und sie schrien auch ihm Fragen entgegen. Während des ganzen Abendessen, des ganzen Abends war es das gleiche. »Aber warum, Rhys?« und »Was willst du tun, Rhys?« Ich konnte ihnen nicht die feinen Worte sagen, die ich Gawain gesagt hatte, aber sie hätten mich auch so nicht verstanden.
    Meine Mutter weinte leise. Ich glaube, auch sie verstand meine Gründe, denn sie stellte mir keine Fragen. Sie ging nur im Haus herum und packte Dinge für mich ein. Sie tat es schnell und energisch, nichts entging ihr, was ich vielleicht brauchen konnte, und sorgfältig bedachte sie Masse und Gewicht. Die ganze Zeit putzte sie sich die Tränen ab. Meine Schwestern waren aufgeregt und klagten dauernd, meine Vettern wurden plötzlich sehr stimmgewaltig und neigten dazu, mich zu beschuldigen, was mein Vater meistens verhinderte. Mein Bruder Dafydd war begeistert, stand jedem im Weg, packte einen Besen und drohte allen, sie damit aufzuspießen.
    Ich glaube, niemand schlief gut in dieser Nacht. Ich weiß, daß ich selbst noch lange wach lag, nachdem selbst der allerletzte im Haus eingeschlafen war. Ich horchte auf die Holzscheite, die im Feuer knisterten und zusammenbrachen, ich horchte auf den Wind im Strohdach und auf die gleichmäßigen Atemzüge meines Bruders neben mir. Ich dachte an mein ganzes Leben und fragte mich, ob ich jemals wieder nach Hause zurückkommen würde. Ich betete ein wenig, wie man das so tut. Aber ich weinte nicht. Wegen dieses Abschieds kamen mir keine Tränen, so weh er mir auch tat. Und vielleicht schmerzte es am meisten, daß ich keine Tränen hatte.
    Der nächste Tag war feucht und kalt. Die Wolken hingen tief, blaß und geschwollen, und in der Ferne wirkten die Hügel wie Platten aus grauem Stein. Die Sonne war noch nicht ganz aufgegangen, als wir losritten, und die Erde war still. Alle Bewohner des Hofes kauerten vor der Scheune, um uns Lebewohl zu sagen. Mein Vater sattelte das dreijährige Fohlen unserer Stute, einen kleinen, zottigen grauen Wallach namens Llwyd, und dann reichte er mir die Zügel, ohne eine Bemerkung über sein Geschenk zu machen. Gawain band den größten Teil unseres Gepäcks hinter Ceincaleds Sattel fest, und dann verstellte er den Riemen, der ihm den Schild auf dem Rücken festhielt. Er hatte seinen roten Mantel wieder umgehängt, und im frühen Licht sah er so seltsam und unirdisch aus wie in jenem ersten Augenblick, als er am Fluß erschienen war. Er wandte sich

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