Das Koenigreich des Sommers
Witrin entfernt. Das Wasser war kalt und reichte bis zu den Bäuchen der Pferde, so daß wir fast auf unseren Beinen sitzen mußten, um zu vermeiden, daß wir durchweicht wurden. Es war noch immer dunkel, obwohl der Mond schon niedrig stand und es im Osten grau wurde. Als wir den Fluß hinter uns hatten, warf Ceincaled den Kopf hoch und wieherte laut und klar und triumphierend. Gawain lachte. »Ein herrlicher Tag für eine Reise!«
Ich grunzte.
Während wir die gewundene Straße hinaufritten, ging der Mond unter, und die ganze Erde wurde grau. Vögel und Tiere des Landes um uns her begannen sich zu rühren. Dann ging langsam die Sonne auf, glühte feurig und riesengroß über den flachen Ebenen. Ich schaute sie an und dachte: »Schlechtes Wetter«, sagte aber nichts.
Als wir den Aesce erreichten, sangen die Vögel, und die nassen Gräser leuchteten bernsteingelb und silbern. Gänse schrien über uns am Himmel und strömten zu den Marschen, und vor uns lag die riesige Masse der Hügel blaugrau und grün.
»Ein schönes Land«, sagte Rhuawn. »Ich frage mich, ob die Geschichten wohl wahr sind.«
Gawain zuckte die Achseln. »Dieser Teil von Dumnonia wird >Königreich des Sommers< genannt. Das ist einer der gebräuchlichsten Bezeichnungen, die wir im Süden für die Anderwelt haben. Man sagt, daß Männer Türen in die Hügel gefunden haben und daß sie durch diese Türen in seltsame Welten hineingewandert sind, wo die Unterirdischen Feste in Hallen feiern, deren Dächer aus Silber und den Federn von Vögeln bestehen. Es gibt auch noch die allgemein erzählten Geschichten von Leuten, die aus den Hügeln gerettet werden, und die Geschichten von denen, die eine Nacht dort verbringen und anschließend feststellen, daß hundert Jahre vergangen sind. Man sagt noch vieles mehr.«
»Ich habe gehört, das Königreich des Sommers soll schöner als die Erde selbst sein«, murmelte Rhuawn.
»So ist es«, meinte Gawain. »Und dennoch bin ich nicht sicher, daß es sich völlig von der Erde unterscheidet.«
Rhuawn warf ihm einen festen, ernsten Blick zu. Gawain wandte Ceincaled nach Westen und folgte dem Aesce, um die Abzweigung zu finden, die uns durch eine Schlucht in die Berge führte. Wir ließen die Pferde im Schritt gehen, damit sie sich von dem schnellen Trab ausruhen konnten, und ihre Hufe klangen weich auf dem feuchten Boden, während der Fluß neben uns gurgelte. Gawain schaute die Hügel an. Seine Augen waren sehr dunkel, aber eine Art Licht brannte darin. Nach ein paar Minuten begann er zu singen. Zuerst auf irisch, und dann nach kurzer Zeit das gleiche Lied noch einmal auf britisch. Es war ein seltsames Lied, denn es strömte eine Stille aus, die fast beängstigend war, obwohl das Lied süß und wunderschön war.
Das Schimmern der See, auf der du segelst des Strandes strahlendes Weiß in Gelb und Blau - so weit du schaust dehnt sich luftig das leuchtende Land.
Die Felder und Fluren, für Scharen geschaffen voll blühender Blumen in vielen Farben silbern der Strom, von Gold die Gefilde
heißen den Fahrenden freudig willkommen.
Vorbei am wehenden Laub des Waldes schwimmt das Schiff, an Hügeln vorüber es neigen sich Zweige, fruchtbeladen wo der Bug die Wellen bricht.
Bäume leuchten, geschmückt mit Blüten süß umweht dich der Duft der Rebe ohn’ jeden Fehl und unvergänglich zeitenlos ragt das gold’ne Geäst.
Die Sonne berührte die Berge, die im Norden lagen, und das Grün wurde zu Smaragd, während das Blaugrau der nackten Bäume von der Feuchtigkeit in silbernen Lichtern blitzte. Rhuawn schüttelte gedankenverloren den Kopf.
»Das ist ein seltsames Lied. Worum geht es denn darin?«
Gawain lächelte, und ein Teil des Glanzes verließ seinen Blick. »Es ist ein Lied von einem Mann, der in das Land der ewigen Jugend gesegelt ist, so nennen wir das Königreich des Sommers auf den Orcades. Man sagt, wenn man weit genug nach Westen segelt, dann erreicht man es. Das Lied heißt >Die Reise des Bran MacFebal<.«
»Ach ja, ich erinnere mich wieder. Du hast schon einmal ein Stück davon gesungen.«
»So ist es. Dieser Teil kommt später. Als Bran die Segel gesetzt hatte, traf er den Sohn des Lir - den sie in Erin einen Gott nennen -, der in einer Kutsche über die See fuhr. Der Sohn des Lir sang dieses Lied, um anzudeuten, daß die See nicht nur eine trostlose Ebene ist, sondern ein fruchtbares Königreich, wenn man Augen hat, zu sehen. Wir sollten jetzt nach rechts abbiegen, dann können wir dem Aesce in
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