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Das Königshaus der Monster

Titel: Das Königshaus der Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
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lag ein Anflug von Geringschätzung.
    Draußen wankte und torkelte eine schnatternde Schar junger Mädchen mit Pickelhaut und engen Röckchen auf schwindelerregend hohen Absätzen den Gehsteig entlang. Streater lehnte sich auf die Hupe, worauf eines der Mädchen in verächtlichem Gruß den Mittelfinger hob.
    Der Fahrer kicherte vor sich hin. »Ich mag’s immer gern, wenn die Weiber Temperament zeigen. Wenn sie mit dem Hintern wackeln und Stahl im Arsch haben. Ihnen geht’s genauso, wie, Chef? Sie mögen’s doch auch, wenn ein Mädel weiß, was es will und wie es das kriegt. Ihre Alte ist doch auch von der Sorte. Was für ’ne Schande, dass Sie nicht zu den Dingen gehören, die sie will.«
    Der Prinz wimmerte erneut: Es war das klägliche Gewinsel eines Welpen, der einen Blick auf das Messer des Tierarztes erhascht und zu spät begreift, was ihm bevorsteht.
    »Lust auf ein Liedchen, Chef? Damit wir die düsteren Gedanken wegblasen? Etwas, das uns die Laune hebt?« Streaters linke Hand wanderte vom Lenkrad zum Handschuhfach, klappte es geschickt auf und setzte eine Lawine alter Kassetten in Bewegung. Arthur stöhnte, und Streater bemerkte mit einem Anfing von Befriedigung, dass sein Schützling tatsächlich zu sabbern begonnen hatte. Er warf eine Handvoll Kassetten auf Arthurs Schoß.
    Der Prinz starrte das Häufchen verständnislos an, ehe ihm zu Bewusstsein kam, dass sie alle einander glichen und mit demselben kurzen Wort beschriftet waren.
    »Was ist dieses …«, begann er und kniff die Augen zusammen, ah hätte er Schwierigkeiten zu lesen, was da geschrieben stand, »was ist dieses … Boner?«
    Streater grinste. »Das ist meine alte Band, Chef.«
    »Band? Sind Sie Musiker?«
    »Hab den Bass gespielt. Wie sollte ich wohl sonst mit Pete zusammengekommen sein?« Er griff nach einer Kassette und schob sie in den Player. »Gleich geht’s los. Lassen Sie nur hören, was Sie davon halten.«
    Der Prinz ächzte. Mister Streater drückte auf PLAY, und der Wagen war plötzlich erfüllt von statischem Gebrumm wie ein Bienenstock. Dann kamen ein paar Sekunden der Stille, die jedoch nicht, wie Arthur erwartete, vom misstönenden Gedröhn moderner Musik gefolgt wurden, sondern von einer beherrschten Stimme mit einer exakten, lehrbuchhaften Aussprache.
    »Guten Morgen, Arthur.«
    Bei diesem Klang rappelte sich der Prinz aus seinem Sitz hoch, wischte sich über den Mund und spürte die langsame, erzwungene Rückkehr seines lichten Geistes. »Mutter?«, sagte er.
    Das Band lief weiter. »In letzter Zeit denke ich des öfteren an die erste Pirschjagd, zu der dich dein Vater mitnahm. Du warst noch sehr, sehr klein, sechs Jahre alt oder vielleicht sieben.«
    Bei diesen Worten wurden dem Prinzen die Augen feucht, denn ihm war klar, was gleich kommen musste, er wusste, womit er unweigerlich konfrontiert werden würde.
    »Bei der Aussicht auf dieses Abenteuer warst du Feuer und Flamme. Ich entsinne mich, dieses eine Mal ein ganz klein wenig Stolz auf dich verspürt zu haben – jene innere mütterliche Wärme, die, wie man hört, von Damen in meiner Stellung erwartet wird. Doch dann wurdest du wie üblich unseren Befürchtungen gerecht. Du kamst zu früh und in Tränen aufgelöst nach Hause. Du warst zwar zusammen mit der übrigen Jagdgesellschaft auf der Pirsch, doch als es galt, den Kadaver der Strecke aufzuschlitzen und dir als jüngstem Mitglied der Gesellschaft die Ehre einzuräumen, deine Stirn mit dem Blut des erlegten Tieres zu benetzen, fingst du an zu weinen. Du greintest wie ein Baby. Seither weigerst du dich wie damals standhaft, deine Blutstaufe zu bestehen. Und diese schreckliche Frau, die du geehelicht hast, hat es bisher auch unterlassen, dich dazu zu ermutigen. Du hast dich als so rückgratlos erwiesen, Arthur, dass ich keinen anderen Ausweg sah, als dich in Mister Streaters Obhut zu geben. Ich hoffe nur, dass es ihm gelungen ist, dir den Anschein einer gewissen Männlichkeit zu verleihen.«
    Mister Streater kniff ein Auge zusammen.
    »Es betrübt mich, dass du der einzige Erbe des Hauses Windsor sein wirst. Doch ich nehme an, dass zu dem Zeitpunkt, wenn du dies hörst, Leviathan endlich auf dem Wege ist. Ich hoffe, du hast dich bis dahin an Blut gewöhnt. Und ich bete darum, dass du dann Manns genug sein wirst, unseren Retter willkommen zu heißen und zu tun, was getan werden muss. Ich will zuversichtlich bleiben, dass du mir letztlich doch Grund geben wirst, auf dich stolz zu sein.«
    Das Band spulte ans Ende,

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