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Das Königshaus der Monster

Titel: Das Königshaus der Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
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denke, Sir«, sagte Barbara, »sie sind hier, um Estella zu finden.«
    »Wissen Sie irgendetwas davon?«
    »Nichts Konkretes. Nur vage Dinge, die in meinem Kopf herumspuken.«
    Während ich aufmerksam dem Dialog lauschte, wurde ich zusehends gewahr, dass jemand meinen Namen rief.
    »Henry!« Eine Einkaufstüte unter den Arm geklemmt, kam uns Miss Morning auf dem Gehsteig entgegen. Seltsamerweise lächelte sie.
    In meinem Kopf krächzte Dedlock: »Wer ist das?«
    Barbara sagte es ihm.
    »Was will sie?«, bellte er.
    Miss Morning war bei uns angelangt; sie presste die Papiertüte an sich, als hätte sie sie beim Bingo gewonnen. »Sagen Sie dem alten Griesgram, dass ich hier drin unsere Rettung habe! Sind die Dominomänner im Gebäude?«
    »Ja«, sagten wir ziemlich gleichzeitig.
    »Dachte ich’s mir doch.«
    Ich fragte sie, weshalb.
    »Denken Sie, Ihr Job war ein Zufall, Henry? Denken Sie, irgendetwas in Ihrem ganzen Leben war dem Zufall überlassen?« Sie holte die Tüte unter dem Arm hervor; man sah, dass etwas Schweres drinsteckte, das sie jetzt mit der ehrerbietigen Sorgfalt eines Priesters, der eine neue Lieferung Hostien auspackt, aus dem Papier wickelte. »Das hat Ihr Großvater geschaffen.«
    Was der Beutel enthüllte, war unglaublich; das Ding hatte die Form eines Revolvers und war bis ins kleinste Detail ausgearbeitet – doch es bestand aus Glas, das nun in der Morgensonne glitzerte: das Produkt einer Technologie, die so außerhalb jeder Vorstellungskraft der Gegenwart lag, dass man es beinahe als ein Stück Science-Fiction hätte bezeichnen können.
    »Er hat es in Ihrer Wohnung versteckt«, erklärte Miss Morning. »Ich habe es hinter Ihrem Fernsehschirm entdeckt.«
    »Davon habe ich schon gehört«, seufzte ich. »Und was kann es?«
    Die alte Dame lächelte wieder. »Es wird den Präfekten Einhalt gebieten.«
    »Und wie soll das gehen?«
    »Ihr Großvater hat versprochen, dass es funktionieren wird. Aber, Henry …«
    »ja?«
    »Wenn da drin irgendetwas schiefläuft, wenn wir getrennt werden, dann haben Sie Vertrauen in das Programm, ja?«
    »Wie bitte?«
    »Wenn der richtige Moment gekommen ist, werden Sie wissen, was ich meine. Jetzt versprechen Sie mir nur eines: dass Sie dem Programm vertrauen.«
    In perfekter Wahl des Zeitpunktes begann mein Handy zu trillern. Als ich sah, wer anrief, stöhnte ich, wie ich mich zu erinnern glaube, laut auf. Ich wandte mich von den anderen ab, drückte auf die Taste und seufzte: »Hallo, Mama.«
    »Gordy ist ein Scheißkerl. Er ist ein Scheißkerl wie alle anderen!«
    »Bist du immer noch in Gibraltar?«, fragte ich behutsam.
    »Himmel, nein!«, rief sie. »Jetzt bin ich, Gott sei Dank, wieder zu Hause. Meine Güte, was für ein Reinfall! Der Mann ist ein absolutes Schwein!«
    »Dann hattest du keinen schönen Urlaub?«
    »Es war eine Katastrophe! Sein einziges Gesprächsthema waren seine Exweiber …!«
    Barbara tippte mir auf die Schulter. »Es ist an der Zeit, reinzugehen.«
    »Mama«, sagte ich, »entschuldige, aber ich muss zurück an die Arbeit. Ich rufe dich später an, ja? Dann kannst du mich auf dem Laufenden halten, und wir unterhalten uns ausgiebig.«
    Mama schniefte pathetisch. »Wenn dir ein Tag im Büro mehr bedeutet als eine Unterhaltung mit deiner Mutter …«
    »Tschüs, Mama.« Ich beendete das Gespräch und wandte mich wieder Barbara zu.
    Miss Morning, die immer noch diese unfassbare Waffe in der Hand hielt, war schon im Begriff, in energischen kleinen Altweibleinschritten auf das Tor des Gebäudes zuzutrippeln. Wir holten sie mühelos ein.
    »Da ist etwas, das mir nicht ganz klar ist …« Ich redete leise, sodass nur Barbara mich hörte. »Wenn Estella da drin ist … die wirkliche Estella, meine ich – was tun wir, wenn wir sie finden?«
    »Das wird nicht angenehm«, sagte sie. »Gar nicht angenehm.« Barbaras Gesicht war kreideweiß geworden, und ihre Bewegungen wirkten noch mechanischer als sonst; eine unwiderstehliche Kraft schien sie voranzutreiben. »Ich fürchte, wir werden sie töten müssen.«

 

     
    Schweißnass und gequält von krampfhaften Zuckungen, die seinen ganzen Körper durchliefen, kauerte der nächste König von England auf dem Beifahrersitz von Mister Streaters Nova, bemühte sich durch angestrengtes Schlucken, die Galle loszuwerden, die sich in seiner Kehle staute, und wimmerte etwas vom Ende der Welt.
    Der Blick des Fahrers glitt flüchtig über die Gestalt des Prinzen. »Was ist denn los mit Ihnen?« In seiner Stimme

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