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Das Königshaus der Monster

Titel: Das Königshaus der Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
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Die Mitternachtsmette. Ich entsinne mich, wie sich seine Hand in meiner anfühlte. Aber ich kann mich nicht erinnern, ob Barbara je irgendjemanden geküsst hat. Und ich entsinne mich nicht, was mit ihr passierte, nachdem sie mit Mister Jasper zum Mittagessen gegangen war.«
    »Das tut mir leid.«
    »Ich weiß nicht, wie ich Ihnen das erklären könnte. Irgendwie sind meine Erinnerungen durchsetzt mit jenen der Frau, die alle Estella nennen. Sie führte ein wirklich eindrucksvolles Leben, Henry; sie verhinderte nationale Katastrophen, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Aber ich bin jetzt keine von beiden. Nicht ganz Estella. Und nicht ganz Barbara.«
    Ich sah sie an; meine Gefühle waren eine Mischung aus Bewunderung und Furcht. »Aber Jasper scheint Sie für eine Art Übermenschen zu halten.«
    Sie schnaubte verächtlich. »Wissen Sie, wofür ich mich halte?«, fragte sie. »Wenn ich ganz ehrlich bin?«
    »Fahren Sie fort.«
    »Ich glaube, ich bin eine Art Sackgasse. Ich halte mich für den Schlusspunkt einer Entwicklung.« Sie stand auf. »Und ich denke, ich sollte versuchen, Pipi zu machen.«
    Als Barbara im hinteren Teil des Cafés verschwand, fiel mir plötzlich etwas ein.
    Ich fummelte mein Handy hervor und tippte eine SMS an Abbey ein:
     
    Entschuldige, es war eine furchtbare Nacht.
    Kann es gar nicht erwarten, dich zu sehen.
     
    Ich drückte auf »Senden«, obwohl ich damit rechnete, noch Stunden auf eine Antwort warten zu müssen.
    Barbara kam von der Toilette zurück. Ich bemühte mich, die Unterhaltung über ihre Transformation wiederaufzunehmen, aber anscheinend war unser intimer Moment so rasch verstrichen, wie er begonnen hatte. Sie fragte, ob ich noch eine Tasse Kaffee wolle, ich sagte ja, und während sie am Tresen die Bestellung aufgab, vibrierte mein Handy in der Jackentasche, um mir den Eingang einer SMS anzuzeigen.
     
    Bin froh, dass du okay bist. Kann es auch nicht erwarten,
    dich zu sehen. Tut mir leid, dass ich dir nichts von
    Joe erzählt habe. Hast mir gefehlt heute Nacht.
     
    Und darunter das Beste: drei x.
    »Freundin?«, fragte Barbara und stellte eine Tasse vor mich hin.
    »Möglicherweise«, sagte ich. »Ich weiß es eigentlich noch nicht genau.«
    »Ist es das Mädchen, das wir kennengelernt haben? Ich meine – das Barbara kennengelernt hat? Ihre Zimmerwirtin?«
    Ich nickte.
    »Ergreift die Gelegenheit, glücklich miteinander zu sein, Henry. Packt das Glück beim Schopf, solange ihr noch könnt.« Barbara streckte sich wie eine Katze. »Ich kann’s nicht.«
    »Aber sicher!«, widersprach ich. »Mit Ihrem Aussehen …«
    Sie starrte nur vor sich hin. »Wissen Sie, dass sie sich meinetwegen in die Haare gerieten?«
    »Wer kriegte sich in die Haare?«
    »Dedlock und Ihr Großvater. Ich kann mich an die Einzelheiten nicht erinnern. Noch nicht. Aber ich weiß, dass es einen Kampf gegeben hat. Heimtücke. Das gelegentliche Messer in den Rücken. Nichts ändert sich. Jasper wollte mich auch haben. Er versuchte, sich an mich ranzumachen.«
    »Jasper?«
    »Ich sagte nur, dass er es versucht hat, Henry. Er machte einen Anlauf. Das ist alles, was Sie dazu wissen müssen.«
    »Und Barnaby? Was ist mit ihm?«
    »Barnaby ist tot«, sagte sie unverblümt. »Sie haben ihn umgebracht.«
    »Wer?«
    Sie spuckte verächtlich in ihren Kaffee, was ich ekelhaft fand. »Sie kennen ihre Namen.«
    Zu meiner Erleichterung verlangte Barbaras PDA piepsend nach Aufmerksamkeit. Sie griff danach und grinste. Zwei schwarze Pünktchen waren auf das Display zurückgekehrt.
    »Erwischt!«
    Ich spürte, wie mich heftige Angst überfiel. »Wo sind sie?«
    »Na herrlich!« Barbara lachte auf, und diesmal klang es fast natürlich. Aber es steckte kein Frohsinn in diesem Lachen, keine echte Heiterkeit. »Wirklich drollig.«
    »Barbara«, fragte ich eindringlich, »wo sind die Präfekten?«
    »Sie kennen die Adresse. Wir beide kennen sie. Sie sind in der Fitzgibbon Street Nummer 125.« Und jetzt klang Barbaras Lachen nur eine Haaresbreite von Tränen entfernt. »Sie sind in unserem alten Büro.«
     
    Als wir bei der Staatlichen Archivverwaltung eintrafen, war es fast neun Uhr morgens, und ein steter Strom aus graugesichtigen Männern und Frauen trottete lustlos zur Arbeit. Philip Statham, der Sicherheitsoffizier, lief geradewegs an mir vorbei, ohne mich zu erkennen. Barbara skizzierte für Dedlock die Situation. Seine Stimme knatterte in unsere Ohren. »Was machen sie da drinnen? Was, zum Teufel, tun sie da?«
    »Ich

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