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Das Königshaus der Monster

Titel: Das Königshaus der Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
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winzigen Lebensfunken in sich zu tragen. Sie können es betrachten, wie Sie wollen, aber Sie müssen zugeben, dass es eine Einrichtung ist, die die Überlebensfähigkeit einer Küchenschabe besitzt. Außerdem befindet sich, soviel mir bekannt ist, die arme transformierte Barbara immer noch in Freiheit.
    Während sich die Quintessenz von Leviathan in mir wand und krümmte, lag seine physische Gestalt, diese tote Fleischmasse, immer noch in der Themse, erkaltete und begann zu stinken. Eine große Zahl von Wissenschaftlern bekundete ihre Begehrlichkeit, dieses Wesen zu sezieren und zu studieren, doch schließlich wurde im Interesse der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit doch entschieden, dass der Kadaver einfach verbrannt werden sollte – dass der große Drache den Flammen übergeben, das mächtige Unternehmen Leviathan, Marktführer auf dem Gebiet Depot und Urkundenregister, Stück für Stück in den Feuerofen gesteckt werden sollte.
    Eine noch nie da gewesene Zusammenarbeit zwischen Armee und den öffentlichen Notdiensten war erforderlich, um das Monster aus dem Wasser zu ziehen und für den Abtransport zu zersägen und zu zerschneiden; und selbst dann noch geschah es nicht rasch genug. Sein Fleisch verrottete mit unglaublicher Geschwindigkeit, und der Geruch hielt sich, wie ich hörte, noch wochenlang in den Straßen.
    Diejenigen, die an seinen Zitzen gesogen hatten, waren für immer verloren. Am Trafalgar Square wurde eine leicht rührselige Gedenkveranstaltung abgehalten; den Vorsitz hatte dabei der Premierminister, der sich, obwohl sichtbar gealtert durch die Geschehnisse, zum Zeitpunkt des schwarzen Schneefalls gottlob in Genf aufgehalten hatte. Einer Anzahl seiner Kabinettsmitglieder war dieses Glück nicht beschieden gewesen.
    Alle, die es an jenem Tag nicht geschafft hatten, den Fluss zu erreichen und gierig an der Fülle flüssiger Datenströme mitzunaschen, erholten sich rasch. Natürlich gab es heillose Verwirrung, wütende Vorwürfe und tränenreiches Akzeptieren der grausamen Realität und am Ende reichlich tiefe, wenngleich leicht angeekelte Trauer. Eine Menge Leute standen an diesem Tag hart am Rande des Grabes, aber ein Großteil von ihnen wurde gerettet. In der Folge taten dann alle, was sie tun konnten – sie holten tief Atem, spuckten sich in die Hände und nahmen ihr gewohntes Leben wieder auf: den Alltag aus Arbeitswoche, Pendlerdasein und dem Sturm ins und aus dem Zentrum der Stadt.
    Und dann gab es natürlich noch mich. Ich wurde auch gerettet.
    Nachdem die Falle des Programms zugeschnappt war, wurde alles schwarz, und ich erinnere mich nur an ein wiederholtes kurzes Aufzucken dessen, was rund um mich geschah, eine Abfolge von Blitzlichtaufnahmen: starke Arme, die mich aus dem Wasser zogen, eine warme, stärkende Flüssigkeit, die mir eingeflößt wurde, das Gefühl, auf etwas Weiches gelegt zu werden, das einschläfernde Schaukeln einer langen Autofahrt.
    Offenbar war ich im Fieberwahn, als man mich fand, plapperte vom Schnee, dem Direktor, den Datenströmen. Das Erste, woran ich mich erinnern kann, ist das Aufwachen hier im Bett auf dem königlichen Schloss Highgrove, wo Sie so viel von dem Schaden, den die Irrtümer und falschen Entscheidungen Ihrer Vorfahren angerichtet haben, rückgängig machten, und wo Sie die Güte hatten, mich herzlich willkommen zu heißen.
    Mir war das große Vergnügen gegönnt, Sie und Ihre reizende Gemahlin näher kennenzulernen, und es würde mir unendliche Freude bereiten, auch mit Ihrem Sohn oder Ihrer Tochter, deren Ankunft nun, während ich schreibe, jeden Moment bevorsteht, Bekanntschaft zu schließen.
    Aber das ist wohl recht unwahrscheinlich. Denn es gibt etwas, das ich Ihnen nicht gesagt habe.
    Da ist eine Stimme in meinem Kopf. Als sie zum ersten Mal sprach, äußerte sie nur acht Wörter und verstummte sodann. Natürlich versuchte ich mir daraufhin eine Zeit lang einzureden, dass ich es mir bloß eingebildet hatte, dass es sich dabei nur um irgendeine seltsame Nachwirkung gehandelt haben konnte, um eine Halluzination, hervorgerufen durch extreme Erschöpfung.
    Aber in den letzten paar Tagen wurde es schlimmer – viel schlimmer –, und es ist höchste Zeit, dass ich der Wahrheit ins Auge sehe. Leviathan ist in mir erwacht und wird immer kräftiger.
    Was Estella in sich trug, war nur eine Zweigstelle von Leviathan; ich hingegen beherberge seine Zentrale, sein Nervenzentrum – das Gehirn. Und ich fürchte, es wird ein beträchtliches Opfer kosten,

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