Das Königsmädchen
vergiss bitte nicht, weshalb du im Tempel bist!«
»Nein, bestimmt nicht. Aber es ist doch schön, wenn man Freunde dort hat.«
Meine Skepsis im Tempel zu wohnen änderte sich schlagartig und wurde zu einer zufriedenen Vorfreude. Ich würde Briar regelmäßig sehen und das bedeutete mir mehr, als es sollte.
Ich packte gerade meine Kleider aus, als mit einem lauten Krachen die Tür zum Flur aufgerissen wurde. Da stand Hanna in einem blauen Kleid und schaute mich ungläubig an.
»Ah«, rief sie. »Da bist du ja endlich!«
Sie lief zu mir und sprang mir so in die Arme, dass wir beide nach hinten aufs Bett fielen. »Ich freue mich so, dass du endlich da bist.«
»Ich freue mich auch, Hanna.«
»Du musst mir so viel erzählen!« Ihre Blicke gingen zu meinem Hals und ihr Gesicht verzog sich schmerzverzerrt. Sofort sprang sie auf und kramte in ihrem Nachtschränkchen. Sie holte eine Paste hervor und schmierte sie mir auf die Wunden. »Keine Sorge. Es stinkt erbärmlich, aber dafür verheilt es viel besser.«
Ich zog mein Kleid hoch und als sie die große Wunde an meinem Oberschenkel sah, schüttelte sie nur mit dem Kopf. »Wir brauchen auf jeden Fall noch mehr von dem Zeug. Ich denke dran, wenn ich das nächste Mal ins Dorf gehe.«
Sie räumte die Paste wieder weg und schmiss sich neben mich aufs Bett. »So und jetzt erzähl mir mal, was zwischen dir und Briar läuft.«
Ich schaute sie verdutzt an.
»Gar nichts! Wie kommst du denn darauf?« Ich musste unwillkürlich an unseren Kuss denken, doch ich ließ mir nichts anmerken.
»Lilia, ich bin nicht blind. Zwischen euch lief doch was, als ich euch besuchen kam.«
»Nein, echt nicht!« Ich musste grinsen, weil sie mich so blöd ansah.
»Da – siehste, du wirst rot!«
»Hanna, du siehst Gespenster«, versuchte ich noch einmal.
»Würdest du es mir sagen, wenn etwas zwischen euch wäre?«
Ich lachte und zwinkerte Hanna zu. »Aber natürlich!«
»Hey, das meinst du gar nicht ernst!«
»Hanna, du bist so neugierig! Erzähl mir lieber mal, was hier in den letzten Tagen passiert ist!«
Da änderte sich Hannas herrliches Lachen und sie wurde ernst.
»Was ist denn los?«, fragte ich erschrocken.
Wir setzten uns aufrecht hin und sie verschränkte ihre Hände im Schoß. »Ach Lilia, er mag mich nicht. Jetzt, wo du da bist, wird er mich sicher nach Hause schicken.«
»Wie kommst du denn darauf?« Das konnte ich mir wirklich nicht vorstellen.
»Kinthos hat schon mit allen Königsmädchen Ausflüge gemacht. Mit Viola und Linea war er sogar schon zweimal unterwegs«, sagte sie wütend.
Ich ging davon aus, dass sie die Zwillinge meinte. »Was haben sie denn unternommen?«
»Sie waren in Hadassah und haben eingekauft! Er hat ihnen gekauft, was sie wollten, kannst du dir das vorstellen?«
»Ja, er hat ja jetzt auch das Geld dafür.«
»Ich möchte auch mal nach Hadassah. Da gibt es viel schönere Stoffe als hier. Hier ist es immer das Gleiche.«
Sie hob ihren Rock hoch und drückte mir den Stoff in die Hand. »Fühl mal, hier! Einfache Verarbeitung, nichts Besonderes. Ich würde den ganzen Tag dort verbringen, wenn ich könnte.«
»Habt ihr euch denn mal unterhalten, Kinthos und du?«, fragte ich sie.
»Mit mir war er nur ganz zu Anfang mal im Park spazieren. Wusstest du, dass es im Tempel einen Park gibt?«
»Nein, das wusste ich nicht.« Ich konnte nicht verstehen, warum Kinthos Hanna nicht mögen sollte, denn ich mochte sie sehr und konnte nicht nachvollziehen, wenn es nicht allen so ginge. Ich beschloss, mit Kinthos darüber zu sprechen. Selbst wenn er Hanna nicht mochte, sollte er sie trotzdem bis zum Ende im Tempel behalten, damit sie die Annehmlichkeiten genießen könnte. »Ich werde mal mit ihm sprechen.«
»Nein bloß nicht! Er soll mich nur hierbehalten, wenn er mich auch wirklich hierbehalten will.«
Ich nickte, doch ich würde trotzdem mit Kinthos über Hanna sprechen. Nachdem Hanna mir beim Auspacken geholfen hatte, zeigte sie mir den Park. Mitten im Tempel führte eine schmale Allee in einen wundervollen Garten. »Lilia, du humpelst ja.«
»Ja, das ist noch von dem Angriff des Nebulos.« Mir schossen sofort die Bilder von dem wilden Tier durch den Kopf und ich musste an Briar denken. Was er wohl gerade machte?
»Hast du Schmerzen?«, fragte Hanna mich.
»Es ist zu ertragen.«
Ich drehte mich einmal um mich selbst und genoss die Stille und das Ambiente. Alles blühte und in der Nähe konnte ich einen Springbrunnen plätschern hören.
Es war
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