Das Königsmädchen
schön hier, ein guter Ersatz für den Wald, den ich jetzt nicht mehr regelmäßig sehen würde. Wir gingen an zahlreichen Blumen und Pflanzen vorbei, ein steiniger Weg führte uns spiralförmig einen kleinen Hügel hinauf und zu einem bunten Teich mit kleinem Springbrunnen. Ringsherum lagen große Steine, die zum Sitzen einluden.
Hier hatten sich auch Kinthos und Jole niedergelassen, sie unterhielten sich angeregt.
»Komm, wir gehen wieder, wir stören hier nur«, flüsterte Hanna.
Ich nickte ihr zu, doch Kinthos hatte uns bereits entdeckt. Sofort stand er auf und winkte.
»Hallo ihr beiden, kommt doch her«, sagte er erfreut. Jole verdrehte die Augen.
Er kam ein paar Schritte auf uns zu, gab Hanna einen Handkuss und umarmte mich, was mir vor den anderen beiden unangenehm war. »Lilia, schön, dass du endlich da bist. Ist alles wieder in Ordnung?«
Ich lächelte. »Es geht mir gut.«
»Jole hat mir gerade erzählt, dass sie morgen Abend musizieren wird. Ich hoffe, ich bekomme bald auch etwas von deinem Talent zu sehen?«
»Nun, um ehrlich zu sein, muss ich noch viel üben, weil ich ja ans Bett gefesselt war.«
Jole erhob sich, blieb aber hinter Kinthos stehen.
»Man sagt, dass du das Bett nicht allein gehütet hast!« Sie grinste blöd und am liebsten hätte ich ihr auf den Mund gehauen. Trotzdem lief ich rot an.
»Nein«, sagte ich übertrieben freundlich. »Briar, ein Pferdewirt aus dem Dorf, hat mich gerettet und lag sechs Tage neben mir, ohne auch nur einmal die Augen aufgemacht zu haben. Der Nebulos hat ihn übel zugerichtet, als er mich retten wollte. Und weißt du was?« Jole hob eine Augenbraue. »Du wirst in den Genuss kommen, ihn kennenzulernen, denn er wird bald ebenfalls im Tempel wohnen.«
Sie sah mich fragend an. »Er wird zum Jungkrieger ausgebildet.«
»Die Rekrutierung war doch bereits vor Wochen«, sagte sie verunsichert.
Kinthos räusperte sich und sagte: »Die Damen, ich muss euch leider verlassen, meine Pflichten rufen.«
»Ich werde dich begleiten, Kinthos«, sagte Jole und nach einer kurzen Verabschiedung waren beide verschwunden. Hanna ließ sich auf einen Stein sinken. Sie sah bedrückt aus.
»Was ist denn los, Süße?«
»Er sieht mich ja nicht mal an.«
Ich setzte mich neben sie und nahm ihre Hand. »Dann wird es Zeit, dass du für ihn singst. Er liebt es, wenn du singst, das weiß ich.«
Überrascht schaute sie auf. »Hat er mich schon mal gehört?«
Ich nickte. Zum Glück fragte Hanna nicht weiter nach.
»Ich werde nächste Woche singen, wenn ich dann noch hier bin!«
Dafür würde ich schon sorgen.
Nach dem Abendessen bat mich Atira, im Festsaal zu bleiben.
Als alle verschwunden waren, hob sie meinen Zopf, den ich über die Narbe gelegt hatte und sah sich die Wunde an.
»Lilia, hast du dir schon Gedanken darüber gemacht, was du Kinthos zeigen möchtest?«
War das überhaupt nötig? Warum musste man dem Obersten überhaupt etwas vorführen? Ich fand das wirklich albern.
»Ich weiß nicht, es gibt nichts, was ich kann.«
»Wie wäre es, wenn du tanzt. Keine der anderen tanzt bisher für ihn.«
Es war eigentlich egal, was ich tat, ich würde es ohnehin nicht gut machen.
»Hast du eine Idee, zu welcher Musik ich tanzen könnte? Ich habe wirklich keine Erfahrung damit.«
Sie zwinkerte mir zu und ging zu den Musikern, die gerade ihre Instrumente verstauten. Sie besprach etwas mit ihnen und kam dann zu mir zurück.
»Ich könnte dir den Tanz zeigen, den deine Mutter damals für Urticas getanzt hat. Es ist schon lange her und Kinthos war zu der Zeit noch nicht mal auf der Welt.«
Sofort erweckte sie meine Vorfreude, aber nicht, weil ich etwas vorführen würde, was Kinthos noch nicht gesehen hatte. Ich würde in die Fußstapfen meiner Mutter treten. Genau das wollte ich machen.
Atira ging zu einem Schrank, holte zwei Fächer heraus und löschte die Kerzen in den Leuchtern über dem Tisch. In dem Raum war es nun dunkel und nur ein leichter Schimmer ließ sie erstrahlen. Ein leiser Trommelwirbel kam auf.
Atira kniete sich hin und zog den Kopf ein. Sie wirkte klein und zerbrechlich. Als der Trommelwirbel erstarb, war es in dem Raum so still, dass ich die Luft anhielt. Mit einem Mal schlugen die Musiker auf die Trommeln, dass es in dem prunkvollen Festsaal von den Wänden hallte.
Atira sprang auf, tanzte so voller Gefühl, dass es aussah, als würde sie mit ihrem Tanz eine Geschichte erzählen. Ja genau, es ging um starke Gefühle. Die Fächer flogen durch die
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