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Das Königsmal

Das Königsmal

Titel: Das Königsmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Burseg
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Familien vom Kirchgang in der Stadt zurückgekehrt. Nach der Sonntagspredigt im dunklen Kirchenschiff genossen die Männer und Frauen die Sonne und den strahlend blauen Himmel, der sie Gott für einen Moment näher brachte als die strengen Worte des Pastors über Tugend und Moral. An diesem Sonntag hatte er aus der Luther-Bibel die Sprüche Salomons zitiert und die Gemeinde von der Kanzel herab mahnend angeblickt.
    „Wer aber mir gehorchet, wird sicher bleiben und genug haben und kein Unglück fürchten.“
    Schon auf dem Kirchplatz hatten die Bürger die Köpfe zusammengesteckt und die Neuigkeiten der Woche ausgetauscht. Verstorbene waren betrauert und Täuflinge begrüßt worden. Auch einige vom Pastor verlesene Bekanntmachungen mussten in größerer Runde kommentiert werden. Über den von Feldsteinen gerahmten Platz schwirrten die Stimmen der Männer und Frauen, ein aufgeregtes Durcheinander, während die Kinder im Schatten des mächtigen Kirchturms Fangen spielten oder mit Peitschen knallten.
    Dann wendete sich das Gespräch der Kirchgänger der düsteren politischen Lage zu. Wiebkes Gedanken kehrten zu den bedrohlichen Ereignissen zurück. Sie erinnerte sich, kurz nach dem Erscheinen des Himmelsboten hatte sich das Böse gezeigt. Es hatte sich zwar einen fernen Ort gesucht, aber die Flugblätter hatten auch in Holstein über die blutigen Ereignisse berichtet. Damals war die Prager Burg zum Schauplatz einer Rebellion geworden. Es ging um Macht und Glauben: Die Wut der protestantischen Böhmen hatte sich gegen ihren streng katholischen König gerichtet. Ferdinand von der Steiermark, ein Habsburger, der wenig später von den sieben deutschen Kurfürsten auch zu ihrem Kaiser gewählt worden war, hatte die Rechte seiner Untertanen mit Füßen getreten und die zugesicherte Religionsfreiheit widerrufen.
    Als sich die Böhmen gegen ihren König erhoben hatten, war dies der Auftakt der nun nachfolgenden kriegerischen Auseinandersetzungen und Schrecken gewesen. Ferdinand hatte sich mit seinem Cousin, König Maximilian von Bayern, verbündet und seine Armee unter der Führung der Feldherren Tilly und Wallenstein nach Böhmen geschickt, um den Aufstand niederzuschlagen.
    Das waren düstere Aussichten – auch für das lutherische Holstein, und die Männer des Dorfes hatten am Morgen voller Misstrauen die Absichten des Kaisers diskutiert. Sie waren empört gewesen. „Schon nach dem Tod seines Vaters gab ihn seine Mutter Maria von Bayern den Jesuiten zur Erziehung“, hatte einer aus der Runde berichtet. „Ferdinand war ein gutmütiges Kind, bis die Priester ihm den Hass gegen alles Protestantische eingepflanzt haben. Vor dem Altar der Mutter Gottes zu Loreto soll er später das Gelöbnis abgelegt haben, den katholischen Glauben wieder zur einzigen Religion in all seinen Staaten zu machen.“
    Die Worte klangen nun wie ein düsteres Echo in Wiebkes Erinnerung. Ihr Blick verfing sich in den Ästen des Apfelbaums. Sie wusste, dass Ferdinands Familie, die weitverzweigte Dynastie der Habsburger, als stärkste Macht auf Erden galt. Doch wie sollte sie sich das vorstellen? Ihre Sicht auf die Welt war schließlich begrenzt. Noch nie hatte sie auf eine Landkarte geblickt oder gar einen Globus gesehen. Wem aber ein Blick auf einen dieser seltenen Erdäpfel aus Leinenstoff, Pergament und Papier vergönnt war, sah, dass sich die gierige Hand der Habsburger über weite Teile der Erdkugel gelegt hatte. Ihnen gehörten Österreich, Tirol, die Steiermark, Kärnten, Krain, Teile Ungarns, Schlesien, Mähren, die Lausitz und Böhmen. Weiter westlich zählten das Burgund, die Niederlande und Teile des Elsass zum Reich, in Italien das Herzogtum Mailand, die Lehen von Finale und Piombino und das Königreich Neapel. Die Habsburger saßen in Spanien und Portu- gal auf dem Thron und sie regierten in der sagenhaften Neuen Welt: in Chile, Peru, Brasilien und Mexiko.
    Ihre Eroberungen hatte die Dynastie weniger ihren Taten auf dem Schlachtfeld als denen im Ehebett zu verdanken. Auch heute hatte man in der Runde gespottet, es sei die Heiratspolitik der Habsburger, die sie so groß und mächtig gemacht hatte. „Wenn sie keine fremden Thronfolgerinnen finden, die sich dem Wohl ihres Reiches opfern, heiraten sie einfach untereinander“, hatten die Männer lachend, wenn auch mit einem Anflug von Bitterkeit in ihren Stimmen erklärt. „So lassen sie Liebe und Pflicht wie Pech und Schwefel aneinanderkleben.“ Andere Habsburger wiederum, so erzählte

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