Das Kommando
was sie nach dem Willen ihres Gründers Colonel ›Wild Bill‹ Donovan hatte werden sollen. Mittlerweile war sie eine Hochburg für Bürohengste, die jedes noch so geringe Risiko mieden und kein anderes Ziel kannten, als die Zeit bis zu ihrer Pensionierung auf irgendeine Weise herumzubringen. So weit war es gekommen, dass man in dieser geheimdienstlichen Organisation Sensibilisierungslehrgänge und Seminare zur Förderung ethnischer und kultureller Vielfalt für wichtiger hielt als die Anwerbung von Mitarbeitern, die fremde Sprachen beherrschten und den Mumm hatten, verdeckt im Ausland zu arbeiten.
Auf Betreiben von Aldrich Ames war das FBI, die Bundeskriminalpolizei der Vereinigten Staaten, mit in die Arbeit der CIA eingebunden worden. Diese Brüder in den dunklen Anzügen hatten die wenigen in Langley verbliebenen guten Praktiker mit der schlichten Begründung ausgesondert, zu viele der Männer und Frauen in der Einsatzleitung seien Einzelgänger. Dabei hatten es ›Wild Bill‹ Donovan und Präsident Roosevelt, als sie die Vorgängerorganisation, das Büro für strategische Dienste OSS, zu Beginn des Zweiten Weltkriegs ins Leben riefen, genau auf solche Einzelgänger abgesehen, Menschen, die fähig waren, selbstständig zu denken. Die beiden hatten begriffen, worauf es ankam: Wenn es galt, den Feind auszuspionieren, stellte man keine anständigen und risikoscheuen Familienväter ein. Für diese Aufgabe waren sanftmütige Herdentiere nicht geeignet, man brauchte Draufgänger, die sich nicht scheuten, ein Wagnis einzugehen, wählte Menschen, die bereit waren, Gefahren ins Auge zu sehen und ihr Leben aufs Spiel zu setzen, um an wichtige Informationen zu gelangen.
Inzwischen waren fotografische und elektronische Erkundung an die Stelle von vor Ort tätigen Agenten getreten. Die Satelliten und die Bodenstationen, die Milliarden Dollar verschlangen, waren klinisch rein und zugleich ungefährlich. Weder konnten sie das Land in Verlegenheit bringen, wie ein enttarnter Agent, noch konnten sie entführt werden. Sie bluteten nicht, sie logen nicht, und der Kongress schätzte sie über alles. Farbige Hochglanzfotos von Ausbildungslagern der Terroristen und verrauschte Mitschnitte von abgefangenen Gesprächen der Feinde Amerikas, die finstere Pläne gegen das Land schmiedeten, befriedigten die Politiker zutiefst. Sie waren berauscht von der technischen Überlegenheit der Vereinigten Staaten. Doch es gab eine große Schwierigkeit: Der Gegner wusste, dass man ihn beobachtete und belauschte, und bemühte sich daher nach Kräften, sein Treiben vor den neugierigen großen Augen und Ohren am Himmel zu verbergen.
Zwar wusste das in Washington jeder, doch ließ sich das Außenministerium – um nur ein Beispiel zu nennen – nicht daran hindern, lauthals weiteres technisches Überwachungsgerät zu fordern. Man fürchtete die Alternative, die darin bestand, Männer und Frauen aus Fleisch und Blut auszusenden, denn das konnte ausgesprochen unerfreuliche Folgen haben. In den Augen des Außenministeriums waren draußen tätige Agenten, die sich nicht immer an die Leine der CIA-Zentrale nehmen ließen, eine ständige Quelle der Verärgerung. Sie schnüffelten in Gastländern herum, sahen häufig zu tief ins Glas, versuchten Unteragenten anzuheuern und benahmen sich ganz allgemein auf eine Weise, die keiner dieser feinen Herren und Damen gutheißen konnte. Schlimmer noch war, dass die jeweiligen Gastländer dazu neigten, zusammen mit ertappten CIA-Mitarbeitern auch Beamte des Außenministeriums auszuweisen, was das empfindliche Gleichgewicht der diplomatischen Beziehungen mitunter erheblich störte.
Die CIA war zu einem Bestandteil der Washingtoner Bürokratie verkommen, ein schwarzes Loch politischer Korrektheit, in dem Unsummen verschwanden, kurz gesagt, ein Spiegelbild der Zeiten und der politischen Führung. Jetzt erst verstand Rapp wirklich, welches Ziel Direktor Stansfield, der vor kurzem verstorbene Leiter der Behörde, mit seinem Bestreben verfolgt hatte, die CIA von den politischen Launen des Kongresses unabhängig zu machen. Kein Einzelner war einer solchen herkulischen Aufgabe gewachsen. Als Stansfield erkannte, dass Veränderungen bevorstanden, hatte er unter dem Namen »Orion Team« eine Einheit ins Leben gerufen, die den Terrorismus verdeckt bekämpfen sollte. Nahezu ein ganzes Jahrzehnt hindurch hatte Mitch Rapp die Speerspitze dieser Gruppe gebildet. Nicht nur hatte er im Dienst seines Landes mehr Männer getötet, als
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