Das Kommando
er zählen konnte, er war auch öfter in Gefahr gewesen, dabei das eigene Leben einzubüßen, als er sich einzugestehen wagte.
Schon mehrfach während der letzten Jahre hatte er ernsthaft erwogen, aus dem Unternehmen auszusteigen , da ihm klar war, dass er das Spiel eines Tages verlieren würde, ganz gleich, wie gut er war, und dann wäre er tot. Den Ausschlag für seine Entscheidung hatte die Begegnung mit Anna Rielly gegeben. Sie war, und das nach langer Zeit, erst die zweite Frau, die er geliebt hatte. Schon bald wusste er, dass sie die Richtige war. Der Zeitpunkt war gekommen, das blutige Geschäft aufzugeben und ein normales Leben zu führen.
Das war der Stand der Dinge gewesen, bevor von Terroristen entführte Flugzeuge die Türme des World Trade Center zum Einsturz gebracht und das Pentagon, den Sitz des Verteidigungsministeriums, schwer getroffen hatten. Ein glühender Hass loderte in Rapp, und er war nicht mehr sicher, ob er die richtige Entscheidung getroffen hatte. Vermutlich kannte er das Gesicht des Feindes besser als sonst jemand im Lande, die hässliche Fratze des islamischen Fanatismus. Es hatte ihn all seine Selbstbeherrschung gekostet, nicht mit der nächsten Maschine nach Afghanistan zu fliegen. Das hatte Kennedy erreicht: Er sei zu wichtig, sie brauche ihn an Ort und Stelle. Seine Aufgabe sei es jetzt, mithilfe seiner Sprachkenntnisse und Kontakte Spuren zu finden und zu ermitteln, was wirklich geschehen war.
Ganz wie ihr Mentor Stansfield besaß Kennedy Weitblick. Außerdem verfügte sie über die Gabe, Absichten und Ziele der verschiedenen einander bekämpfenden Interessengruppen und Behörden zu erkennen und sich ihren Weg durch das Washingtoner Minenfeld zu bahnen. Rasch war ihr klar geworden, dass der Kongress nach den Ereignissen des 11. September versuchen würde, die Verantwortung der CIA zuzuschieben. Immerhin hatten die Politiker bereits in den siebziger Jahren mit den Anhörungen des Kongressausschusses um Senator Church begonnen, die CIA aus dem Geschäft der Spionage zu drängen, indem man ihr vorwarf, die Ermordung unliebsamer ausländischer Diktatoren zu planen. Allerdings hatte diese Behauptung der Untersuchung durch den Ausschuss nicht standgehalten.
In den achtziger Jahren hatte man die CIA aufgefordert, jeden Kontakt zu »ruchlosen Individuen« abzubrechen, ohne zu bedenken, dass jemand, der Übeltäter fangen will, gelegentlich mit ihnen und ihresgleichen reden muss. Davon aber wollte man im Kongress nichts wissen. Die CIA stand vor der Wahl, entweder glänzende Erfolge vorzuweisen oder sich entmachten zu lassen. So bekamen die Politiker schließlich ihren Willen. Sie schufen eine zahnlose Behörde, die sich davor scheute, Risiken einzugehen.
08
Wer hätte 1922, als die Briten das neue Land Transjordanien ins Leben riefen , annehmen können, dass dessen Hauptstadt Amman eines Tages zu einer Drehscheibe internationaler politischer Machenschaften würde? Der fortschrittlich denkende König Hussein I. und sein Sohn Abdullah II. hatten diese Stadt mit inzwischen über einer Million Einwohnern von ihrer verstaubten Vergangenheit befreit und ins 21. Jahrhundert geführt. Das im Osten und Süden an den Irak und Saudi-Arabien, im Norden an Syrien und im Westen an Israel grenzende haschemitische Königreich Jordanien war ein Land der Verdammten. Es war arm an Bodenschätzen und reich an Flüchtlingen, Palästinensern, um genau zu sein. Während der ersten rund dreißig Jahre nach der Gründung des Staates Israel zog es mit seinen arabischen Nachbarn am gleichen Strang und forderte lautstark die Zerschlagung des Judenstaats. Doch nachdem die zionistischen Nachbarn das Land bei jeder militärischen Unternehmung vernichtend geschlagen hatten, war man zu der Einsicht gekommen, dass es klüger sei, Israel in Ruhe zu lassen – zumindest, wenn es um offene Auseinandersetzungen ging. Als genügte es nicht, unter dem Fluch eines wertlosen Stücks Land zu leiden, musste sich Jordanien mit Nachbarn herumschlagen, zu denen neben den berüchtigtsten Despoten des Mittleren Ostens, nämlich der superreichen und schizophrenen Herrscherfamilie Saudi - Arabiens, auch die Syrer gehörten, denen die Jordanier aus irgendwelchen verqueren religiösen Gründen einen nahezu ebenso großen Hass entgegenbrachten wie den Israelis. Ohne das Rückgrat einer Industrie, welche die Wirtschaft hätte stützen können, war das Land seit Anbeginn auf ausländische Hilfe angewiesen, die anfangs von den Briten und
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