Das Kommando
die typische Kopfbedeckung des palästinensischen Mannes. Als das Hotel in Sicht kam, setzte er eine Brille mit dunkler Fassung auf und prüfte seine Verkleidung in einem kleinen Handspiegel. Er sah gute fünfzehn Jahre älter aus, als er war. Bereits sechsmal war er mit dem Mann zusammengetroffen, zu dem er jetzt unterwegs war, und hatte dabei jedes Mal die gleiche Verkleidung getragen.
David vertraute nur wenigen Menschen, und keiner von ihnen war Iraker. Im Zusammenhang mit den Geschäften, die er mit ihnen gemacht hatte, hatte er sie bei zahlreichen Lügen ertappt, allerdings auch nichts anderes erwartet. Die Iraker waren in seinen Augen die Oberrabauken des Mittleren Ostens, der an Rabauken wahrlich keinen Mangel litt. Sie stellten Regeln auf und änderten sie, sobald es ihnen nicht mehr passte, wie die Dinge liefen. David verachtete sie wegen ihrer Heuchelei gegenüber der grässlichen Lage der Palästinenser. Er war überzeugt, dass in Wahrheit kein einziger Iraker einen Pfifferling um ihr Schicksal gab. Saddam Hussein und seine Spießgesellen sahen in ihnen lediglich einen Blitzableiter für ihren eigenen Antisemitismus und ihren Hass auf Amerika.
Als der Wagen vor dem Hotel vorfuhr, konzentrierte sich David auf die Aufgabe, die vor ihm lag. Heute Abend würde das Blutbad beginnen. Wenn alles nach Plan verlief, war das der erste Schritt in einer langen Odyssee, durch die sich die politische Landschaft im Orient verändern würde. Wer Frieden will, muss Krieg führen, und an diesem Abend sollte der erste Schuss in Davids Krieg fallen.
Er stieg aus und knöpfte das Jackett seines zweireihigen blauen Anzugs zu. Leicht vorgebeugt ging er mit kurzen Schritten auf den Hoteleingang zu, ganz wie ein älterer Mann. Zwei Pagen rissen die Tür auf und begrüßten ihn zuvorkommend. Sie kannten ihn als Mohammed Raschid, einen palästinensischen Geschäftsmann, der enge Verbindungen zur Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO pflegte. Laut hallten die Absätze seiner Prada-Schuhe auf dem Boden, als er durch die Hotelhalle der Bar entgegenstrebte. Dort sah er sich in der von Rauch geschwängerten Luft suchend um. Sein Gesprächspartner saß in der gegenüberliegenden Ecke mit dem Rücken zur Wand. Wie ein Cowboy in einem amerikanischen Film , ging es David unwillkürlich durch den Kopf. Zwei seiner Leibwächter hatten an einem Nebentisch Platz genommen und warfen den übrigen Gästen finstere Blicke zu, als wollten sie sie auffordern, sich gefälligst um ihre eigenen Angelegenheiten zu kümmern. Alle drei trugen das unerlässliche Merkmal eines jeden, der zu Saddams innerem Kreis zählen wollte: einen buschigen schwarzen Schnauzbart.
David näherte sich dem Tisch mit gespielter Freude.
»General Hamsa, wie schön, Sie wiederzusehen.«
Statt seinem Besucher die Hand zu reichen, sah der General lediglich auf den Stuhl ihm gegenüber und bedeutete David mit einem Nicken, dort Platz zu nehmen. Nachdem er einen Zug aus seiner filterlosen Zigarette genommen hatte, sagte er: »Sie kommen spät.«
»Tut mir Leid«, log David. »Aber es war nicht einfach, durch die Kontrollen zu kommen.«
Der irakische General warf einen Blick auf die beiden Aktenkoffer, die am Boden neben ihm standen. »Hoffentlich wissen Sie, wie Sie es schaffen wollen, mit denen da zurückzukehren. Falls die verschwinden, hole ich mir Ihren Kopf.«
David nickte beflissen. »General, ich werde auf keinen Fall zulassen, dass Ihr Geld zionistischen Schweinen in die Hände fällt.«
Mit der Hand, in der er die Zigarette hielt, griff Hamsa nach seinem Glas. Ohne David aus den Augen zu lassen, sagte er: »Es liegt in Ihrem eigenen Interesse, dafür zu sorgen, dass das nicht geschieht.«
Wieder nickte David und versicherte ihm eifrig, dass das ausgeschlossen sei. Jeder der beiden Aktenkoffer enthielt eine Million US-Dollar in Hunderterscheinen, Geld, das der Hamas und Hisbollah eine Fortsetzung ihrer Terrorkampagne gegen Israel ermöglichen sollte. Zwar empfahl es sich nicht, mit dem Leiter des Amn al Khas, des irakischen Sicherheitsdiensts, dessen Namen die Menschen im Irak nur flüsternd nannten, Scherze zu treiben, doch zeigte sich David alles andere als eingeschüchtert. Hamsa war ein brutaler Schlägertyp, und solche Leute lassen sich leicht übervorteilen.
Der Mann war für seine rücksichtslose Brutalität weithin bekannt. Er hatte die Hand im Spiel, wenn ganze Familien bei Nacht und Nebel verschwanden und niemand je wieder etwas von ihnen sah
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