Das Kommando
gaben an die Palästinensische Befreiungsorganisation weiter, was sie sahen oder auch nur vermuteten. Fortwährend erinnerten ihn die misstrauischen Blicke seiner Landsleute, die ihm folgten, an die Notwendigkeit, seinen Auftrag erfolgreich abzuschließen. Das palästinensische Volk musste seinen Hass begraben, wenn es für seine Kinder je wirklichen Frieden wollte, doch verlangte die Geschichte in schrecklich paradoxer Weise, dass es zuerst einen Krieg führte, wenn es dieses Ziel erreichen wollte.
David vermutete, dass ihn gerade jetzt mindestens ebenso viele jüdische wie palästinensische Augen beobachteten. Allerdings nahm er nicht an, dass diese Leute ihn oder die Bedeutung seines Auftrags kannten, denn er war so wichtig, dass der Mossad ausschließlich seine besten und tapfersten Leute auf ihn ansetzen würde.
Dieser allseits gerühmte Geheimdienst Israels kränkelte nicht an den Schwächen entsprechender Organisationen anderer Länder, denn die für ihn tätigen Männer und Frauen waren ihrem Land ebenso treu ergeben wie der Sache, der sie dienten. Das aber bedeutete keinesfalls, dass ihnen keine Gefahr drohte. Die verschiedenen Feinde des Landes hatten Mitarbeiter des Mossad entführt und ihnen wichtige Geheimnisse entlockt – für den Mann, mit dem David zusammentreffen wollte, Grund genug, die Identität seines wichtigsten Kontaktmannes für sich zu behalten.
Während sich David dem Neuen Tor näherte, das man 1887 in die Mauer um die Altstadt gebrochen hatte, nahm er seine Papiere zur Hand. Nachdem er sie einem jungen israelischen Soldaten vorgewiesen hatte, durfte er passieren. Rasch überquerte er die Straße und betrat, nachdem er sich erneut ausgewiesen hatte, die Neustadt.
Notre Dame de France gehörte der katholischen Kirche und beherbergte unter anderem die päpstliche Delegation in der dem Christentum heiligsten Stadt der Erde. David hatte entgegen der Annahme seiner palästinensischen Landsleute durchaus einen plausiblen Grund, dieses Gebäude aufzusuchen. Immer wieder hatte er ihnen erklären müssen, dass es dort auch eine Zweigstelle der vatikanischen Bank gebe und bei Bankgeschäften niemand so diskret sei wie der Vatikan, nicht einmal die Schweizer. Mit Bezug darauf zweifelte die Führung der PLO seine Worte nicht im Geringsten an. Solange er das für die Finanzierung ihrer Tätigkeit nötige Kapital beschaffte, ließen die Feinheiten des internationalen Geldwesens sie ziemlich kalt.
Ein junger italienischer Priester empfing David und führte ihn in den ersten Stock zum Büro von Monsignore Terrence Lavin. Der rundliche kleine Mann nahm die Brille ab und erhob sich, um seinen Besucher zu begrüßen.
»Jabril, mein Sohn, wie geht es Ihnen?«
David nahm die fleischige bleiche Hand des Weltpriesters und drückte sie kräftig. »Gut, Terrence, und Ihnen?«
Der Ältere fixierte ihn mit blitzenden blauen Augen.
»Es würde mir besser gehen, wenn wir unten eine gute französische Mahlzeit zu uns nehmen könnten, aber man hat mir gesagt, dass ich Sie heute nicht mit Speise und Trank bewirten darf.« Er warf einen raschen Seitenblick auf die geschlossene Tür hinter seinem Rücken und verzog verärgert das Gesicht.
Mit Verschwörermiene zuckte David die Achseln.
»Zwar wäre mir das recht, doch bedauerlicherweise entscheidet unser gemeinsamer Freund, was zu geschehen hat.« David konnte Monsignore Lavin gut leiden. Dieser wahre Renaissance-Mensch, wie man ihn in Kirchenkreisen gern nannte, besaß nicht nur Diplome in Jura, Theologie, Philosophie und Volkswirtschaft, er war zugleich ein Kenner guter Weine, guten Essens und klassischer Musik. David hatte ihn vor vielen Jahren durch seine Eltern kennen gelernt und verdankte ihm einen großen Teil seiner Bildung.
»Nun«, sagte Lavin, »wir müssen das nachholen, wenn Sie einmal Zeit haben.« Er nahm einen Ordner vom Tisch und sagte: »Hier ist das, worüber wir heute angeblich miteinander gesprochen haben.« Er gab ihn David. »Eine Zusammenstellung Ihrer Einlagen bei uns, mit dem jeweiligen letzten Saldo. Das Übliche. Werfen Sie am besten einen Blick darauf, bevor Sie gehen, falls Ihre Freunde ausgerechnet heute den Wunsch haben, von Ihrer Weisheit zu profitieren.« Mit diesen Worten führte ihn Lavin zu der dunkel gefleckten schweren Holztür hinter seinem Schreibtisch und öffnete sie.
David dankte ihm und trat in den fensterlosen finsteren Raum. In Sicherheitsfragen war der Vatikan ebenso gewissenhaft wie jede große Nation. Es gab
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