Das Kommando
können.« Hayes lehnte sich erneut zurück und stieß die Luft aus. »Hören Sie«, sagte er. »Nach allem, was Sie mir gerade berichtet haben, verdient es dieser Mann, den Rest seines Lebens in einer Zelle zu verfaulen. Ihn aber einfach zu töten… Ich weiß nicht recht. Das könnte überaus schlimme Folgen haben, und wir sind bei diesem Kampf offen gesagt darauf angewiesen, die Regierung der Philippinen auf unserer Seite zu haben. Wie schon gesagt, ich brauche ein paar Tage, um alle Möglichkeiten zu überdenken.« Nach diesen Worten drehte er sich mit seinem Sessel, bis er Rapp den Rücken zukehrte, und öffnete die Akte, die er vom Schreibtisch genommen hatte.
Nach längerem Schweigen sah Rapp fragend zu seiner Vorgesetzten hin. Sie erhob sich, wies stumm auf die Tür und wiederholte die Geste gegenüber General Flood. Während Rapp ihre Aufforderung zögernd befolgte, ging ihm die Frage durch den Kopf, wie viele Menschen sich wohl im Lauf der Jahre auf ähnliche Weise unbefriedigt gefühlt haben mochten. Als er die Hand auf den Türknauf legte, hörte er, wie Kennedy zum Präsidenten sagte: »Sir, ich muss unter vier Augen mit Ihnen reden.«
Rapp sah sich zu ihr um. Der Anflug eines Lächelns trat auf seine Lippen. Trotz ihrer zurückhaltenden und gelassenen Art stand ihr eine verblüffende Überredungskunst zu Gebote. Er war zuversichtlich, dass sie das Büro des Präsidenten nicht ohne seine Zusage verlassen würde.
14
So gelassen sich David nach außen auch gab, war er doch ein wenig unruhig, als er vom Araberviertel der Altstadt aus über die Via Dolorosa das christliche Viertel Jerusalems betrat. Zahllose Male war er diesen Weg in jungen Jahren unbekümmert gegangen. Als er aber älter wurde, hatte er angefangen, dies und jenes zu begreifen, die Gefahr zu sehen, die in den Eingängen der Läden lauerte, aber auch in den Augen alter Männer, die Obst und Nüsse auf der Straße verkauften. Sogar die Frauen, die Botendienste verrichteten, waren gefährlich. Überall wimmelte es von Spionen und Zuträgern. Als er dreizehn war, hatte man ihm buchstäblich die Unschuld aus dem Leib geprügelt. Trotz der körperlichen und seelischen Narben, die ihm von dieser Tortur geblieben waren, sprach er nie über den Vorfall.
Die Blicke der Spione auf der Straße schüchterten ihn nicht mehr so sehr ein wie in den ersten Jahren, nachdem man ihn zusammengeschlagen hatte. Solche Menschen vermochten nichts gegen ihn auszurichten. Wenn er wollte, könnte er jeden von ihnen mit einem einfachen Befehl vom Leben zum Tod befördern lassen, doch hatten ihn seine Eltern anders erzogen. So etwas tat ein Jabril Khatabi nicht. Dank seines Verstands nutzte er seine Macht unauffällig, geduldig und mit großer Umsicht, Fähigkeiten, auf die er jetzt mehr denn je angewiesen war.
Über zwanzig Jahre lag es inzwischen zurück, dass man ihn am helllichten Tag, während er eben diese Straße entlanggegangen war, ergriffen und in den Kofferraum eines Autos gesteckt hatte. Seine eigenen Leute hatten behauptet, er mache gemeinsame Sache mit den Juden, doch hatten sie ihn zu Unrecht verdächtigt – damals. Er hatte nur durch die Altstadt zum Krankenhaus gehen wollen, in dem seine Mutter arbeitete. Inzwischen lagen die Dinge anders. Falls man bei der PLO, der Hamas, der Hisbollah oder irgendeiner anderen von einem Dutzend Gruppen wüsste, was er trieb, würde man ihn foltern, bis er seine Peiniger anflehte, sterben zu dürfen.
Scheinbar ziellos bog er nach rechts in die Straße Bab El Jadid ein und warf einen Blick auf den vor ihm liegenden Kontrollpunkt im Tor der Festungsmauer, die Süleyman der Prächtige 1540 hatte errichten lassen. Sie umgab nach wie vor die Altstadt und besaß lediglich sieben Durchlässe, die den jeweiligen Eroberern schon seit hunderten von Jahren dazu dienten, Menschen und Güter zu überwachen, die in die Stadt kamen oder sie verließen.
Allein im zurückliegenden Jahrhundert waren vier Länder Herren der Stadt gewesen. Nach den Türken hatten Briten und Jordanier die Mauer besetzt gehalten; jetzt waren es die Israelis. Soldaten ihrer Streitkräfte mit grünen Uniformen und runden Helmen kontrollierten die Papiere eines jeden, der aus der Stadt heraus oder in sie hinein wollte. Ganz ruhig strebte David dem Tor entgegen. Unmittelbar dahinter lag der Ort der Zusammenkunft, an der er teilnehmen wollte.
Stets musste er darauf gefasst sein, überwacht zu werden. Die Araber hatten ihre spähenden Augen überall,
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