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Das Kommando

Das Kommando

Titel: Das Kommando Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vince Flynn
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Geheimnisse, die bewahrt werden mussten, Beziehungen, die nicht ans Licht der Öffentlichkeit dringen durften, und Feinde, die nur darauf warteten, sich jede noch so kleine Schwäche zunutze zu machen. Diesen Raum im ersten Stock hatte David schon oft betreten. Er vermutete, dass sich hinter den schweren alten Gobelins, die alle vier Wände bedeckten, Störsender verbargen, die selbst eingeschmuggelte Abhörvorrichtungen unschädlich machen konnten. Es roch muffig, wie an vielen anderen Orten in Jerusalem. Immer wieder kam ihm bei diesem Geruch unwillkürlich der Gedanke an den Tod in den Sinn.
    Ein alter Mann saß in sich zusammengesunken am anderen Ende des großen Tisches. Der gelbe Schimmer einer Lampe in der Ecke brachte ein wenig Licht in den Raum. Der Alte hieß Abe Spielman. David kannte ihn seit zweiundzwanzig Jahren. Lavin hatte die beiden miteinander bekannt gemacht, und David hatte nie gefragt, ob das auf eine Anregung des Priesters oder den Wunsch Spielmans zurückging. Stets hatte Lavin so getan, als sei es auf sein Betreiben hin geschehen, doch neigte David jetzt, etwas älter und ein wenig klüger, eher zu der Annahme, dass die Initiative von Spielman ausgegangen war. Auf jeden Fall würde es zu dem Alten passen. Er war von unendlicher Geduld und besaß die Gabe, Menschen und Situationen weit früher einschätzen zu können als andere.
    Abe Spielman war Agent und mit seinen einundachtzig Jahren bei weitem nicht mehr so flink wie früher. Sofern die anderen annahmen, damit habe zwangsläufig auch die Schärfe seines Geistes abgenommen, war ihm das nur recht. Während seiner ganzen Laufbahn war er immer bestrebt gewesen, dass seine Gegenspieler ihn unterschätzten, und das war ihm auch weitgehend gelungen.
    Wer diesen freundlichen älteren Herrn sah, hätte nie geglaubt, dass es eine Zeit gegeben hatte, in der Abe Spielman ein vorzüglicher Kämpfer gewesen war, zuerst im Zweiten Weltkrieg auf der Seite der Briten, dann 1948 beim Kampf seines Landes um die Unabhängigkeit. Die Tapferkeit, die er in jenen aufregenden Tagen bewiesen hatte, war legendär.
    Nach dem Unabhängigkeitskrieg seines neuen Landes war er in den Schatten getreten und hatte für dessen Geheimdienst gearbeitet. Obwohl er im Laufe der Zeit einer der am höchsten dekorierten Agenten des Mossad geworden war, wussten nur wenige Menschen, was er erreicht hatte, und die meisten von ihnen waren tot oder hatten vermutlich nicht mehr lange zu leben.
    Abe Spielman war Professor für Theologie und Geschichte, ein gelehrter Verfasser zahlreicher Bücher, der im Nebenberuf als Spion arbeitete – oder umgekehrt. Er blickte über den schweren hölzernen Tisch auf den jungen Mann, der da voller Tatkraft vor ihm stand und ihm ins Bewusstsein rief, wie alt er selbst inzwischen war.
    »Entschuldigen Sie, dass ich nicht aufstehe, um Sie zu begrüßen, Jabril.« Die Stimme klang rau und zitterte leicht.
    »Ach was, Abe«, lachte David, »Sie brauchen doch meinetwegen nicht aufzustehen.« Er ging quer durch den Raum und bot ihm die Hand.
    Spielman nahm die warme, kräftige Hand und sagte:
    »Nehmen Sie doch bitte Platz, und sagen Sie mir, wie es Ihnen geht, mein Freund.«
    »Gut.« David setzte sich auf den Stuhl links von Spielman. »Und Ihnen?«
    »Ebenso.« Er verschränkte die Hände und fügte hinzu: »Meine akademischen Hilfskräfte erledigen den größten Teil meiner Arbeit, und so kann ich mich auf das Schreiben konzentrieren.«
    »Ist das gut oder schlecht?«
    Spielman verzog nachdenklich das Gesicht. »Vermutlich beides. Vor allem fehlen mir die jungen Leute mit ihrer jugendlichen Begeisterung.«
    »Aber doch wohl nicht die Universitätspolitik?« Es war David bekannt, wie tief seinen alten Freund die Übernahme der Hebräischen Universität durch die ultraorthodoxen Rabbiner getroffen hatte.
    »Diese Leute bringen uns noch ins Grab. Das wissen Sie genauso gut wie ich. Mit ihren vereinten Bemühungen werden uns die Eiferer des Judentums und die Eiferer des Islam in den Abgrund stürzen.«
    David nickte wissend. Über dies Thema unterhielten sie sich schon seit Jahren miteinander. Nach längerem Schweigen sagte er: »Wenn es mehr Menschen wie uns gäbe, wäre der Frieden kein solches Problem.«
    »Problem« , wiederholte Spielman mit leicht spöttischem Unterton das Wort, das David mit Bezug auf den Frieden gebraucht hatte. Es war noch gar nicht so lange her, dass er angenommen hatte, er werde den Frieden zwischen den beiden Völkern auf dem

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