Das kommt davon, wenn man verreist
beschwörend. »Nicht abnippeln. Reiß dich
zusammen, verdammt noch mal. Wir kommen — wir kommen ja schon!«
Und während sie die Achsen des Wagens
strapazierten und den Baumstämmen um Zentimeterbreite entgingen, hielt er den
armen, wieder hörbar gewordenen Max durch ständige rhetorische Fragen am Leben.
Seine grüne Stimme hing hilflos in Bobs
Unerbittlichkeit. Gab Antwort wie ein aufgezogenes Maschinchen — und gehörte
doch zu einem Barockschrank von einem Kerl.
Nur einmal mischte Bob Gefühl ins Gespräch, nur
einen Satz lang. »Sag Vera — ich bin gleich bei ihr und — alles Liebe — sag ihr
das!«
Maxens Antwort war ein Würgen, gefolgt vom
hörbaren Hinschmeißen des Mikrophons auf einen harten Gegenstand.
»Herrgott noch mal«, Bobs Finger trommelten aufs
Steuerrad, »wo steckt er jetzt schon wieder —«
»Ich glaub’, er kotzt«, meinte Rieke
verständnisvoll, »er kann doch kein Blut sehen.«
»Dann soll er sich zusammenreißen!«
»Das tut er ja — trotzdem. Wenn einer kein Blut
sehen kann — das ist noch lange kein Charakterfehler. Ich kann ihn verstehn.«
Bob sah sie kurz und kopfschüttelnd von der
Seite an. Immer die Großen, Starken haute es zuerst um.
Kurz vor ihnen erreichten Bussi Laube und Gundi
die Unfallstelle — nichtsahnend und daher um so geschockter, als sie Maxens
Wagen am Baum und Vera am Straßenrand liegen sahen. Max lief ihnen entgegen.
»Ein Glück, daß ihr kommt!« Er war nun nicht
mehr allein mit seiner Hilflosigkeit, Bussi und Gundi nahmen ihm die
Verantwortung ab.
»Ein Glück«, sagte auch Vera, als die beiden
sich zu ihr knieten. »Der mit seinen zwei linken Pratzen — a Wunder, daß er mi
net umbracht hat.«
Gundi nahm fünf von den acht Mullbinden von
Veras Stirn.
Sie waren angerissen, verheddert, man sah ihnen
Maxens ungeschickte, aufgeregte Hände an.
»Wie geht’s dir denn? Hast du Schmerzen?« fragte
Bussi, butterweich vor Mitleid.
»Och — bisserl gaga im Schädel und die Schulter
tut weh — aber sonst is nix.«
In diesem Augenblick erreichte Bobs Wagen die
Unfallstelle.
Als er heraussprang und auf sie zulief, verlor
Vera ihre forcierte Tapferkeit, sie ließ sich sinken. Gundi kam es so vor, als
ob sie plötzlich ein bißchen platter geworden wäre. Ihre Stimme war nur mehr
ein Hauchen — »Hei —«, und ihr Lächeln schwebte.
Bob nahm ihre Hände. »Mein armer, armer
Liebling...«
»Es ist nicht so schlimm«, versicherte sie
tapfer. »Wenn >Liebling< nicht ins Steuer gegriffen hätte, wär’ das alles
nicht passiert! Und wenn sie sich angeschnallt hätte, hätte sie nicht einmal
eine Beule«, fluchte Max, der seelisch wieder zu Kräften kam.
»Laß sie in Ruh«, fuhr Gundi ihn an.
Aber Maxi war nicht zu stoppen. »Alles wegen so
einem saublöden Eichkater! Damit, daß ich den nicht überfahr, derrennen wir uns
beinah selbst!«
»Maxi, bitte!«
»Schaut’s euch die Karre an. Hin. Total hin —!
Der ganze Rahmen verzogen. Neue Motorhaube und Kotflügel bräucht ich auch —
aaaber tierlieb! Aber tierlieb!!!!«
»Halt den Rand«, sagte Bob und schob ihn fort.
»Du nervst uns!«
Zuerst traf der Notarzt ein, dann die
Funkstreife. Plumpsack, der bisher apathisch jachelnd im Wagen gelegen hatte,
drehte beim Anblick der Polizisten durch. Er haßte Uniformen. Sein Kläffen ohne
Punkt und Komma weckte selbst Pepe.
Der rappelte sich aus seinem Tiefschlaf hoch und
plierte verschlafen aus dem Wagenfenster.
Er sah lauter Rallyemitglieder — Bussi, Gundi,
Maxi und die eigene Mannschaft zwischen Polizisten und weißgekleideten Männern,
die Bobs Leidenschaft, die Vera, zu einem Sanitätswagen führten.
Er rief Rieke an, die ihm am nächsten stand.
Sie wandte sich zu ihm um. »Ja?«
»Was ist denn das schon wieder für eine
Aufgabe?« fragte Pepe.
5
Der Himmel erlosch in einer langen, von
lautlosen Schwalben durchwehten Dämmerung.
Auf dem See standen nun keine Segel mehr, dafür
zog das Tanzschiff weiß illuminiert seine langsamen Kreise — es sah aus, als ob
es zu König Ludwigs posthumer Geisterflotte gehörte.
Auf den Ufern flimmerten Lichter auf — ein
heißer Sommertag sank in eine heiße Nacht.
Oberhalb von Tutzing, auf der Ilkahöhe, fand die
Rallye ihren Abschluß. Um ein Lagerfeuer hockten die Teilnehmer, kauend und
trinkend, harkten gare Kartoffeln aus der Glut und hielten Würstl an Astgabeln
in die Flammen. Wer sich die Finger ansengte, stippte sie zum Kühlen in sein
Bier. Und alle diskutierten
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