Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das kommt davon, wenn man verreist

Das kommt davon, wenn man verreist

Titel: Das kommt davon, wenn man verreist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Noack
Vom Netzwerk:
gehindert.«
    »Bob Taschner ist ein Spielverderber«, sagte
Paul. »Jetzt erfahren wir nie, wie unsere Polizei reagiert, wenn man ihr ein
Trinkgeld anbietet.«
    Und das war dann das Ende der Juxrallye.
     
    Sixten ließ sich nur zu gern von Paul Herwart
überreden, noch ein paar Tage in München zu bleiben. »Was willst du in Berlin?
Da versäumst eh nix und wo du schon einmal hier bist... vielleicht finden wir
sogar einen Job für dich.«
    Auf Riekes Frage, ob wenigstens Plumpsack mit
heimreisen dürfe, begegnete sie auch nicht dem leisesten Widerstand. Man würde
sich noch lange und gern an sein Münchner Gastspiel erinnern, aber an einer
Verlängerung desselben schien niemand interessiert. Und so kehrten sie denn am
Sonntagabend allein nach Berlin zurück.
     
    Die Haustür stand offen, als sie ankamen, ebenso
die Tür zum ehemaligen Garderobenraum mit Blick auf ein ungemachtes Bett und
mehrere übereinander gestapelte Pappkartons. Quer durch das längliche Kabinett
war eine Wäscheleine gespannt, auf der eine Hose mit mißgelauntem Hintern
durchhing.
    In diesem Raum schlief der Vater von Üskül
Ahmed, dem Türken. Vor zwei Jahren war Üskül hier alleine eingezogen. Später
holte er seine Frau mit drei Kindern nach, das vierte wurde bereits in Berlin
geboren. Dann folgte sein Bruder, die Familie seines Bruders samt
Schwiegereltern und zuletzt Üsküls Vater.
    Der Hausflur war — wie an den meisten
Wochenenden — der Kriegsschauplatz, auf dem Üskül und sein Erzfeind Kosewinkel
ihren Haß aufeinander abschossen.
    Bei Adolf Kosewinkel handelte es sich um den
ehemaligen Portier des Hauses, als es noch Anspruch auf einen solchen hatte.
Inzwischen lebte er als Mieter in seiner alten Loge mit Stube und Wohnküche
dahinter und fühlte sich weiterhin zum Wach- und Hausmeister berufen. Das
Streitobjekt war einmal wieder Kosewinkels Fahrrad, das er in dem die
Eingangshalle begrenzenden Flur abzustellen pflegte. In der Hausordnung von
1954 aber war das Abstellen von Fahrrädern im Hausflur verboten, und weiß der
Henker, wer Üskül darauf aufmerksam gemacht hatte. Zumindest bestand er mit dem
glutäugigen Fanatismus, mit dem er sein kleines Recht zu verteidigen pflegte,
auf der Entfernung des Rades, seit Adolf Kosewinkel sich gegen das Abstellen
des Üskülschen Hammelgrills im Hausflur aufgebäumt hatte. Dabei war in der
Hausordnung von 1954 das Abstellen von Hammelgrills im Hausflur nicht
ausdrücklich untersagt. Kosewinkel bellte: »Los, vadrück dir, oller
Piesepampel, türkischa! Ick habe mein Rad hier schon abjestellt, wie du noch in
Anatolien hintern Zaun jeschissen hast. Und da bleibt et stehn, solange dieses
Haus steht und ick hier lebe, vastehste?«
    Rieke huschte, den pöbelfreudigen Plumpsack kurz
an der Leine, um den deutsch-türkischen Kleinkrieg herum, zur Treppe.
    Nach einem vorwiegend unbeschwerten, verreisten
Wochenende war sie besonders allergisch gegen diese schrillen Töne. Sie
verfolgten sie bis in ihre Wohnung.
    Sie war wieder zu Hause. So war das also, wieder
zu Haus zu sein.
    Und was Kanaken waren, wußte sie noch immer
nicht.
     
    Drei Wecker zertrümmerten jeden Morgen gehässig
rasselnd im Abstand von je drei Minuten Friederikes Tiefschlaf und leiteten ihr
Lever ein: ein mühsames, mit Stöhnen beladenes Sich-aus-dem-Bett-Rollen.
    Seit sie aus München zurück war, stand noch ein
vierter Wecker neben ihrem Bett — maigrün, einbeinig, einzeig-rig, nur mehr mit
Hilfe einer Zange aufzuziehen, aber noch mit Schlag und fast geliebt, weil
einzige greifbare Erinnerung an ihre Juxrallye mit den Gebrüdern Taschner.
    Rieke tappte in die Küche, wo Plumpsack bereits
auf seine Morgenstulle wartete, setzte Wasser für Tee auf, stieg anschließend
in die emaillierte, auf Krallenfüßen thronende Badewanne und versetzte den
Resten ihrer Schlafsehnsucht einen heilsamen Schock mittels einer ungleichmäßig
tröpfelnden, eiskalten Dusche.
    Inzwischen war das Teewasser verkocht.
Friederike trank kalte Milch gleich aus der Tüte. Danach lief sie mit Plumpsack
ums Karree und trieb ihn mit ungeduldigen Kommandos zu überstürztem Stuhlgang
an.
    Mittags ging Frau von Arnim, die Oberstwitwe aus
der Beletage, mit ihm Gassi, denn Rieke kam erst gegen Abend heim.
    Die Werkstatt des Restaurators Karl-Heinz Papke,
bei dem sie arbeitete, befand sich im Gartenhaus eines alten Charlottenburger
Mietshauses, an dem weder Bomben noch spätere Radikalrenovierer
architektonischen Schaden angerichtet hatten. Im Winter wurden

Weitere Kostenlose Bücher