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Das kommt davon, wenn man verreist

Das kommt davon, wenn man verreist

Titel: Das kommt davon, wenn man verreist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Noack
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eigenen Interessen nach.
Einmal riefen Paul und Lonka an und fragten nach ihren Urlaubsplänen und ob sie
nicht gemeinsam mit ihnen nach Norwegen reisen wollten. Sie kannten den Norden
Europas noch nicht, und Sixten als Enkel eines schwedischen Pastors würde
bestimmt einen guten Reiseführer abgeben. »Es ist zwar ganz unmöglich, aber
trotzdem nett von ihnen, an uns zu denken, findest du nicht?« sagte Sixten nach
diesem Telefongespräch.
    »Goldig. Wann fahren wir?«
    »Ich meine, es ist nett, daß sie an uns nicht
wie an arme Schlucker denken.«
    Auf einmal tat er Rieke sehr leid. Was mochten
da tagtäglich für Depressionen und Minderwertigkeitskomplexe durch Sixtens
unbeschäftigtes Hirn tigern!
    Sie nahm sein eckiges Gesicht zwischen ihre
Hände. »He — du!«
    »Hm?«
    »Es wird schon wieder. Bestimmt.«
    »Vielleicht sollte ich was Neues lernen!«
    »Eben. Mach das doch.«
    »Und dann lerne ich was Neues und kriege damit
auch keinen Job.«
    »Aber dann bist du wenigstens beschäftigt.«
    »Wenn ich Beziehungen hätte«, seufzte er. »Mit
Beziehungen ist alles viel leichter.«
    Das war die Überleitung zu seinem täglichen
Klagelied, das Rieke — bei allem Verständnis für seine Lage — nicht mehr
ertragen konnte. Es war schon ein Kreuz mit Sixten. Aber wenn sie ganz ehrlich
war — er hatte es auch nicht leicht mit ihr. Sie war launisch geworden —
sehnsüchtig, gespannt — so gespannt — aber worauf? Irgendwas mußte endlich
geschehen.
    Es geschah auch etwas. Mitten auf dem
Kurfürstendamm, auf einer Kreuzung beim Abbiegen, während der
Hauptverkehrszeit, riß ihr das Kupplungsseil.
    Da stand sie nun als Hindernis — fühlte sich
mannigfacher Ungeduld ausgesetzt — , sah die vorwurfsvollen und die
schadenfrohen Blicke der Autofahrer, die sich an ihr vorbeizwängen mußten —
überlegte einen Augenblick lang, ob sie feuchte Hände kriegen sollte vor
Nervosität — oder lieber darüber lachen.
    Rieke lachte. Blieb in ihrem Auto sitzen und
lachte aus vollem Halse. Rutscht mir doch alle den Buckel runter! Und danach
ging es ihr besser. Die Krise war vorüber. Sie war nicht länger ungeduldig,
sehnsüchtig, gespannt — sie hatte zwar einmal wieder kein Auto, aber dafür ein
fröhliches Herz.
     
    Elsbeth Kosewinkel lauerte ihr auf, als sie nach
Hause kam. Elsbeth in der üblichen, angeschmuddelten rosa Häkeljacke überm
Nachthemd. Sie war Nachtschwester für private Pflegefälle, die es sich leisten
konnten, sie zu engagieren. Darum schlief sie am Tage.
    Gerade letzte Nacht hatte sie einem
Staatssekretär a. D. die Augen zugedrückt und den Schmerz seiner Witwe
genossen. Aber die bekam ja eine schöne Pension. »Frollein Birkow!« rief sie,
als Rieke an ihrer Wohnungstür vorbeihuschen wollte. »Nu renn Se doch nich so,
ick muß Ihnen wat saren!«
    Rieke fürchtete entweder eine neue Greueltat von
Üskül oder die Schilderung der letzten Stunden eines hochgestellten
Pflegefalles!
    »Heut war der Briefträger da. Und hatte ‘n
Einschreiben für Ihnen. Aber Sie warn nich da, und Herr Förster war ooch nich
da, und mir wollt er’s nich jeben.«
    Ein Einschreiben! Du lieber Himmel! Einschreiben
kamen für Rieke meistens nur von der Verkehrspolizei. Was hatte sie denn nun
schon wieder ausgefressen! Wo war sie zuletzt geblitzt worden, ohne es zu
merken!?
    Oder war sie es gar nicht gewesen, sondern
Sixten? »Sixten!«
    »Komm mir bloß nicht mit dem Ton«, stöhnte er
hinter seiner Zeitung, »ich räume ja gleich auf!«
    »Es liegt ein Einschreiben auf der Post. Vom
Hauswirt kann’s nicht sein, dann wäre es an uns beide gerichtet. Also ist es
wegen des Autos.«
    »Scheißkarre«, brummte er. »Entweder sie ist
kaputt oder sie ist straffällig.«
     
    Am nächsten Tag holte Friederike das
Einschreiben von der Post.
    Es handelte sich um den Brief einer Münchner
Firma zur Herstellung von Maschinen zur Verpackungsherstellung und enthielt
folgenden Text:
    »Sehr geehrtes Fräulein Birkow!
    Im Aufträge der Herren Robert und Jose Maria
Taschner, welche sich zur Zeit in Mexiko befinden, schicke ich Ihnen
beiliegendes Flugticket.
    Herr Jose Maria Taschner sendet Ihnen per Telex
seine herzlichsten Grüße und bittet Sie, sich umgehend um Visum und
Pockenimpfung zu kümmern, damit Sie den im Flugticket vermerkten Abreisetermin
einhalten können.
    Außerdem werden Sie gebeten, Ihre Garderobe auf
warmes und auf kühles Wetter einzurichten.
    Mit vorzüglicher Hochachtung und guten
Reisewünschen empfiehlt sich
    K.

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