Das kommt davon, wenn man verreist
bleiben?«
»Vierzehn Tage.«
»So. Vierzehn Tage.«
»Das ist eh nicht viel für so ein Land.«
Er betrachtete sie säuerlich. »Vergiß nicht,
Rieke, Fisch und Besuch stinken bereits nach drei Tagen!«
Friederike wartete einen satten, gemütsfrohen
Moment ihres Meisters ab, bevor sie ihm das Ticket vorlegte. Er blätterte
darin. Las den Abflugtermin und schaute mißbilligend auf. »Nächste Woche schon?
— Det kommt ‘n bißken plötzlich!«
»Ich weiß, Herr Papke, aber —«
»Vor drei Wochen ist nischt drinne. Du weeßt ja,
was an Arbeet ansteht.«
»Also in drei Wochen?«
Papke zuckte resignierend mit den Schultern.
»Wat soll ick machen? Sare ick nee, maulste in eene Tour. Also sare ick lieba
ja.«
Rieke umarmte und küßte ihn zum Dank. Das mochte
Papke gern.
»Aba, Kleene! Du kommst doch wieda, ja?«
Zwei Tage später. Papke setzte gerade
zentimetergroße Elfenbeinintarsien in Form von venezianischen Musikanten in
eine restaurierte Kommode ein, als Rieke aus der Mittagspause zurückkehrte.
»Herr Papke. Kann ich Sie mal stören? Also: Ich
war gerade bei einer Schulfreundin. Die arbeitet in einem Reisebüro. Sie kann
mir einen Charterflug nach Mexiko besorgen, der kostet die Hälfte von meinem
regulären Flug. Jetzt muß ich einen finden, der mir meinen regulären Flug
abkauft und sich dafür einen Gutschein über diese Summe ausstellen läßt und die
im Laufe des Jahres abfliegt. Herr Papke, Sie kennen doch genug Geschäftsleute,
könnten Sie die nicht mal fragen?«
Der Meister hatte ihr zugehört mit der Mimik
eines gutmütigen, auch parierwilligen Bernhardiners, dem man drei Befehle auf
einmal gibt. Und nun blickte er nicht mehr durch.
»Sag dies alles noch mal, aba schön langsam.«
Rieke mußte ihm ihre finanztechnischen
Überlegungen zweimal wiederholen, dann setzte in Papkes Hirn endlich die
Dämmerung ein. »Und nu sag mir nur noch, warum det Janze?«
»Schaun Sie, wenn ich das Geld für das reguläre
Ticket kriege und mir für die Hälfte einen Charterflug kaufe, bleibt mir die
andere Hälfte zum Verleben. Das heißt, ich bin drüben flüssig.«
»Vasteh ick.« Er kehrte an seine Arbeit zurück.
Irgendwann im Verlaufe des Nachmittags gab er wieder Laut. »Ick gloobe, ick hab’
vielleicht eenen. — Draußen in Ruhleben. Nich ‘n Neumeesta, ‘n andern. Schreib
mir det man allet jenau auf, wat de willst. Zum Ausnanderklamüsern is et zu
mühsam.«
Zwei Tage später kam ein Eilbrief aus München
von Bobs Firma mit der Bitte um eine Telefonnummer. Rieke gab Papkes Nummer an.
Das führte zu einem Vorfall, der selbst des
Meisters unendliche Toleranz überstieg.
»Hör mal zu, Kleene«, empfing er sie eines
Morgens ungehalten. »Ick tu ja allet, aber um zwee früh aus d’ Bette jeholt
wern, den Bauch voll Boscholläh —«, er sah sie anklagend an — als ob sie etwas
dafür könnte, daß er einmal wieder zuviel Rotwein getrunken hatte.
»Und?«
»Mexiko war am Telefon. Ein Pepe.«
Rieke war enttäuscht. »Bloß Pepe...«
»Mir hat’s jelangt. Er wollte wissen, wann du nu
endlich drüben eintrudelst. Ick hab’ ihm jesacht, vor zwölf Tagen is nischt
drin. Dieses schien ihm einerseits entschieden zu spät - andrerseits — wat
sollt er machen? Und schönen Gruß und du möchst telejrafiern, bevor daß de
ankommst. Wejen abholen. — Sag mal, Kleene, wat sind det eijentlich für
Scheiche? Wat wolln die von dir? Und det ooch noch so eilig?«
»Tut mir leid, ich weiß es selbst nicht.«
»Aba kennen tun tuste sie, ja?« und als sie
nickte, »und hast ‘n ordentlichen Eindruck jehabt, ja?«
Und als Rieke wiederum nickte, meinte er, sich
selbst beruhigend: »Naja. Määchenhändler könn’n det nich sein. Dafür biste nich
der Typus. Mexiko liecht ja ooch nich im Orjent. Aba — Kleene, seltsam isset
doch!«
Eines hatten Papkes und Sixtens massive Skepsis
immerhin erreicht: Friederike begann nun selbst an edlen Absichten der
Taschner-Brüder zu zweifeln.
Fünf Tage vor ihrem Abflug gab sie ein Telegramm
nach Mexico City auf, in dem sie den genauen Termin ihrer Ankunft ankündigte.
Sie selbst arbeitete bis zum letzten Augenblick voller Emsigkeit in der
Werkstatt, um Papke ihre Dankbarkeit für das Unterbringen ihres Tickets gegen
Barzahlung zu zeigen. Es war schon ein netter Kerl. Das fand er auch. »In
Charlottenburg, wart sare ick, in janz Europa hättste keenen vaständnisvolleren
Meesta wie Papke finden können.«
»Ganz bestimmt nicht«, versicherte sie, so
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