Das kommt davon, wenn man verreist
sogar einen Job für dich.«
»Ich möchte nicht, daß er sich irgendwie verpflichtet
fühlt.«
Das konnte Rieke nicht begreifen. »Ich denke, er
ist dein Freund.«
»...aber wir haben uns so lange nicht gesehen«,
sagte Sixten.
Und in diesen Jahren hatte der eine Pech gehabt,
und beim anderen war alles glattgegangen.
Paul hatte keine Existenzsorgen, er hatte als
Werbeassistent einen Beruf, der ihm Freude machte, er konnte sich mit Lonka
zusammen eine geräumige Altbauwohnung leisten, fuhr ein funktionierendes Auto
und ließ keinen Spaß aus. Im Sommer Segeln und Tennis, im Winter Skifahren. Morgen
eine Rallye und nächstes Wochenende eine Regatta am Chiemsee und zwischendurch
heiße Sommerabende in Schwabinger Biergärten und Diskotheken, hier ein Fest und
da eine Party... Sixten kam es vor, als lebte Pauli auf einem anderen Stern.
Nicht daß er ihm den Spaß nicht gegönnt hätte, er konnte schließlich nichts für
seine eigene Arbeitslosigkeit, aber es war eine Entfremdung da.
Und die ging von Sixten selbst aus. »Weißt du«,
sagte er zu Rieke, die neben ihm lag und die Stuckverschlingungen an der Zimmerdecke
betrachtete, »es war wohl nicht so eine gute Idee, hierherzukommen.«
Rieke, die gerade den gleichen Gedanken gehabt
hatte, fuhr ihn an: »Hast du der Arnim die Wohnung gestrichen, um dir ein paar
lustige Tage leisten zu können? Ja oder nein?«
»Ja.«
»Na also. Dann sei jetzt auch lustig. Verdammt
noch mal.«
Er rollte sich, plötzlich sehr müde, auf den
Bauch und ließ dabei eine Hand am ausgestreckten Arm auf Rieke niedergehen. Sie
landete auf ihrem Magen.
»Nacht, Kleene, schlaf schön...«
Sie gab ihm seine Hand zurück und betrachtete
kurz seinen Schlaf. Er lag mit der Nase voll in der Matratze. In der fahlen
Dämmerung wirkte seine Arbeitslosenbräune fast schwarz. Rieke hatte Sixten noch
immer sehr gern und er sie wohl auch, aber es war heute mehr Anhänglichkeit als
Liebe zwischen ihnen und diese bequeme Vertrautheit, die längeres Zusammenleben
mit sich bringt. Um daraus einen Dauerzustand werden zu lassen, waren beide
noch viel zu jung.
Plumpsack kam schlaftrunken aus dem Nebenzimmer
herübergetappt, beguckte sich die beiden Matratzen und kippte in einiger
Entfernung von ihnen einfach um, in einen neuen Schlaf hinein. Das war so gegen
drei Uhr früh.
3
Start der Rallye war um 12 Uhr mittags vor Lonka
Dittlers Starnberger Elternhaus. Ab elf Uhr traf ein Auto nach dem anderen ein,
laut hupend und mit Kuhglockengeläute, als ginge es zu einem Fußballänderspiel.
Eine Horde junger Leute, fest entschlossen, eine
Gaudi zu erleben, mit grellbunten Schirmmützen, die für Elektrogeräte und
Waschpulver warben. Manche hatten auch eingelaufene, schlappe Leinenhütchen in
der Stirn.
Auf ihren königlich-bayerischen Unterhemden
prangte Ludwig II. lockiges Porträt. Nur einer trat in Oberhemd und weiten
Leinenhosen zu schwarzen Straßenschuhen auf, das war Norbert Hagedorn, Zahnmediziner
im letzten Semester. In sein ursprünglich harmonisch angelegtes Brillengesicht
hatte sich der Ehrgeiz zerstörerisch eingefressen.
Er ging an diese Rallye wie an ein Staatsexamen
oder wie an einen Krieg, bei dem es Verlierer nur auf der Feindseite geben
durfte. Kurzum, er war gerüstet. Davon zeugte sein vollbestücktes Auto. Da
konnte der Zufall noch so unerwartet improvisieren — Norbert hatte sich auf
alles vorbereitet mit komplettem Werkzeugschrank, Fuchsschwanz, Brecheisen,
achtbändigem Lexikon, Brehms Tierleben, Büchmanns Zitatenschatz, mit allem nur
möglichen Material zum Basteln — von Knete bis Laubsägeblättern.
Norbert Hagedorn war auf alles vorbereitet, nur
nicht auf eine Partnerin wie Dagy Scholz, die bei dieser Rallye kein anderes
Ziel im Sinne hatte, als ihren ehemaligen Freund Maxi Moser zurückzugewinnen.
Als einzige durfte sie einen Blick in das mit
gewürfelten Gardinen abgeschirmte Hinterteil seines Kombis werfen und zeigte
sich tief beeindruckt, vor allem von seinem reichhaltigen Werkzeugsortiment.
»Geh, Norbertl, glaubst denn du, wir müssen unterwegs eine Sparkasse knacken?«
»Bereit sein ist alles«, belehrte er sie.
Dagy kratzte besorgt in ihrer Kopfwolle. Sie
ahnte wohl, was für total humorlose Stunden ihr da bevorstanden. Und das bei 32
Grad im Schatten in einem bis zum Halskragen vollgepackten Auto.
Für die Dauer der Rallye sollte Plumpsack im
Starnberger Garten bleiben und mit dem Dittlerschen Pudel schön spielen. Leider
ging das gar nicht
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