Das kommt davon, wenn man verreist
habt
Zeit. Hier ist euer erster Etappenzettel und ein Notumschlag für den Fall, daß
ihr verlorengeht. Und wenn ihr Fragen habt...«
»Ja«, sagten Bob und Rieke synchron.
»Ja?«
»Wir haben überhaupt keine Ahnung, wo es lang
geht.«
»Das ist ja gerade der Witz dabei«, lachte
Lonka.
Bob hupte verabschiedend, drückte den Gashebel
durch und schoß davon. Nach etwa zweihundert Metern kam ihm ein Gedanke, und er
fuhr den Wagen an den Straßenrand: »Wo müssen wir eigentlich hin?«
Rieke hatte inzwischen die Wanderkarte über ihre
Knie gebreitet und studierte den Etappenzettel.
»FAHRT AUF DEM DIREKTEN WEG NACH KEMPFENHAUSEN.
DORT BIEGT NACH LINKS AUF DEN >AMMENHÜGEL< AB.«
Gemeinsam beugten sie sich über die Wanderkarte,
stießen mit den Köpfen zusammen, sagten beide: »O Verzeihung« — und waren sich
so fremd.
Riekes Finger fand zuerst den Ort Kempfenhausen
am Ostufer des Starnberger Sees. Bloß den Ammenhügel...
»Vielleicht ist das eine scherzhafte
Verschlüsselung des richtigen Namens.« Bob suchte die Gegend nach einem Synonym
ab. Er stieß dabei auf den Milchberg. »Na bitte. Wie ich schon sagte — ein
Scherz.« Daß er so gar nicht in ihrem vollbesetzten Auto zündete, mochte daran
liegen, daß ihnen die übermütige Einstellung fehlte, die routinierte Teams als
Selbstverständlichkeit mit auf eine Rallye nehmen.
Rechts der Ostuferstraße, die sie in Richtung
Kempfenhausen fuhren, breitete sich eine Wiese aus, ging in eine buntwimmelnde
Badewiese über. Das gegenüberliegende Ufer stieg sanft und grün zu einem Hügel
an mit gelben und weißen Hausgesichtern und dem Turm einer Barockkirche...
»Schön ist das hier«, sagte Rieke entzückt, »hier könnte ich bleiben...«
»Steht da nicht noch mehr auf unserem Zettel?«
erinnerte Bob Taschner.
»Ach ja — Moment«, er war ihr vom Schoß
gerutscht, sie begann, ihn eilfertig zu suchen.
»Plumpsack stinkt«, sagte Pepe von hinten.
»Weil er naß ist«, sagte Bob.
»DAMIT EUCH DIE FAHRT NICHT LANG WIRD, LÖST
NACHSTEHENDE FRAGEN: ERSTENS: IN STARNBERG GIBT ES EINEN HOCHALTAR VON IGNAZ
GÜNTHER. WO STEHT ER?«
Keiner schnipste mit dem Finger, weil es keiner
wußte. »Was steht denn bei zweitens?« fragte Bob.
»IN STARNBERG GIBT ES
EINE VERKAUFSSTELLE FÜR DAS MEISTVERKAUFTE INSEKT DER WELT! WIE HEISST DAS
INSEKT?«
»Bienenhonig«, sagte Bob sofort.
»O Gott«, sagte Pepe.
»Was gibt es denn sonst noch für Insekten? Sagt
doch mal.«
»Ameisen.«
»Fliegen.«
»Spinnen.«
»Kanaken?« fragte Rieke.
»Das sind keine Insekten.«
Bob fuhr den Milchberg hinauf.
»Vielleicht Käfer?«
»Was für welche? Maikäfer?«
Hinter ihnen regte sich Pepe: »...und könnte es
nicht sein, daß der VW-Käfer damit gemeint ist?«
Rieke schaute sich nach ihm um, Ehrfurcht im
Auge. »Was sagen Sie jetzt?«
»Fabelhaft.«
»Und so sind wir Taschners alle«, versicherte
Bob.
»Ja, ja, Bienenhonig«, erinnerte Rieke.
Nach diesem ersten Erfolg erwachte so etwas wie
Spieltrieb in ihnen.
Auf der Höhe des Milchbergs begegnete ihnen
Sixten in Paul Herwärts Wagen. Sie hielten kurz nebeneinander. »Haben Sie Vera
gesehen?« fragte Bob.
»Ja.«
»Ja und?«
»Die ist schwer beschäftigt. Sie schaut zu, wie
Maxi nach einem Schatz buddelt.«
»Was für ‘n Schatz?« wollte Rieke wissen.
»Ein Nußhörnchen. Wenn man reinbeißt, ist
Stanniolpapier drin. Wimmert einem die Zahnplomben auf. Und in dem Stanniol ist
der nächste Streckenhinweis eingewickelt.«
»Auf so was muß man erst mal kommen.«
Sixten schoß ein paar Fotos von Team Sieben.
»Und Vera?« fragte Bob schon wieder.
»Läßt Sie grüßen und Ihnen ausrichten, der Maxi
hätte auch ein Funkradio in seinem Auto. Sie möchten doch mal anrufen.« Leider
hatte sie vergessen, Sixten das Codewort mitzuteilen.
»Wie gut«, sprach Pepe aus, was Rieke dachte.
»Sonst müßten wir uns pausenlos die Schmuserei anhören.«
Als sie weiterfuhren, wandte sich Bob an seine
Partnerin: »Ihr Freund ist Fotograf?«
»Zur Zeit ist er alles, was ihm ein paar Mark
einbringt.«
»Arbeitslos?«
»Ja, leider.«
»Schon lange?«
»Im April sollte Sixten bei einem Hoch- und
Tiefbauunternehmen anfangen. Aber im März hat es bereits Konkurs angemeldet.
Seither schreibt er sich die Finger krumm, aber er kriegt nichts wie Absagen.
Wenn Firmen heute einen Betriebswirt einstellen, dann nehmen sie zuerst einen,
der bereits Erfahrungen hat.«
Während dieses ersten privaten Dialogs zwischen
den
Weitere Kostenlose Bücher