Das Kopernikus-Syndrom
vielleicht wollte ich einfach daran glauben.
»Ich habe mir ganz in der Nähe ein Hotelzimmer genommen, wollen Sie mitkommen?«, schlug Louvel vor, als wir das Haus hinter uns gelassen hatten.
Ich zögerte. Auch wenn ich in Bezug auf den Hacker ein gutes Gefühl hatte, war ich mir nicht ganz sicher. Schließlich wusste ich fast nichts über ihn und noch weniger über die anderen Mitglieder seiner geheimnisvollen Gruppe.
»Ich … ich weiß nicht.«
»Vigo, wollen Sie Ihre Nachforschungen ganz allein fortsetzen?«
»Ich weiß nichts über Sie … Was beweist mir, dass Sie mir tatsächlich helfen wollen? Sie wirken so, als wollten Sie Ihre eigenen Nachforschungen anstellen.«
Er neigte den Kopf. »Wie Sie wollen, mein Freund, aber wir teilen uns unsere Ergebnisse mit, ja?«
»Nach allem, was ich erlebt habe, habe ich gelernt, niemandem mehr zu vertrauen. Warum sollte ich Ihnen vertrauen?«
»Weil Sie wissen, dass ich genauso leidenschaftlich nach der Wahrheit suche wie Sie. Und seien Sie ehrlich, Sie sitzen in der Scheiße, Vigo. Die Bullen suchen Sie im ganzen Land. Wir sind vielleicht die Einzigen, die Sie nicht für einen Terroristen halten, und die Einzigen, die Ihnen Schutz anbieten können.«
Ich verzog skeptisch den Mund.
»Haben Sie wirklich die Mittel, mich zu schützen?«
»Ja.«
Er antwortete absolut überzeugend.
»Und Sie sind bereit, mir alles zu sagen, was Sie wissen?«
»Ja«, erwiderte er ohne Zögern. »Und Sie?«
Ich schwieg einen Augenblick. Die Antwort musste bedacht werden. War ich bereit, meine Informationen mit diesen Hackern zu teilen, die ich nicht kannte? Aber was riskierte ich? Ich war eher geneigt zu denken, dass ich sie mehr brauchte als sie mich.
Und eines wurde mir immer klarer: Ich hatte weder die Kraft noch die Mittel, diese Nachforschungen ganz allein durchzuführen. Schließlich gab ich nach. Vielleicht auch getrieben von meinem ewigen Bedürfnis nach anderen Menschen.
»Einverstanden. Wir sind ein Team«, willigte ich ein.
Louvel grinste über das ganze Gesicht und schlug mir freundschaftlich auf die Schulter.
64.
Moleskin-Notizbuch,
Anmerkung Nr. 191: Seelenwanderung
Diese unbewussten Erinnerungen aus der Vergangenheit, dieses unbekannte Gespenst, das hie und da auftaucht … Manchmal frage ich mich, ob ich ein anderer gewesen bin. Warum sollte ich nicht die Körperhülle einer neuen umherirrenden Seele sein?
Ich wäre nicht der Erste, der an die Reinkarnation oder an Seelenwanderung glaubt. Plato, Pythagoras, die Ägypter, die Essener, die Kabbalisten, die Brahmanen, die Buddhisten, die Katharer … Müsste ich solche Dinge fürchten?
Vielleicht.
Die Reinkarnation ist sicher nur die bequeme Antwort unter den Dutzend anderen auf unsere Todesangst. Sterben würde nicht mehr bedeuten, aufhören zu leben, sondern in einen anderen Körper zu schlüpfen. In der Bhagavad -Gita steht: »Der Tod ist jenem sicher, der geboren wurde, und die Geburt ist jenem sicher, der tot ist.« Wenn nur die Toten sich darauf verlassen könnten.
Der Glaube an die Reinkarnation ist nicht nur ein antikes Phänomen. Der Kanadier mit dem Namen Ian Stevenson war schon aufgrund seines Namens dazu prädisponiert, von Reisen zu träumen. Er arbeitete in der Abteilung für Psychiatrie an der Universität von Virginia und widmete sich der Untersuchung von Menschen, vor allem aus Asien, die behaupteten, dass sie sich an ihre früheren Leben erinnern konnten. Von den 2.600 Fällen, die er untersucht haben soll, hat er sechzig dokumentiert. Eine genaue Analyse der Fallbeispiele beschrieb er in Artikeln in Fachzeitschriften und in seinen Werken. Er beschäftigte sich vor allem mit den biologischen Verbindungen zwischen den Personen und jenen, die sie in ihren Vorleben gewesen sein sollen. Insbesondere untersuchte er die Geburtsmale und versuchte herauszufinden, ob sie das Ergebnis von Verletzungen in vorherigen Leben sein könnten. Wenn man sich intensiver damit beschäftigt, amüsiert man sich letztlich über die pseudowissenschaftliche Verbrämung, deren Geheimnis nur der Kanadier kennt … Doch mehrere Male hatte ich schon das Gefühl, bereits einmal gelebt zu haben.
Die Menschen, die unter retrograder Amnesie leiden, haben vielleicht einen echten Anspruch darauf, zu behaupten, eine Reinkarnation zu erleben. In meinem Inneren habe ich eine Gewissheit, nämlich die, nicht mehr der zu sein, der ich war.
65.
Das Hotel Brice war ein elegantes Viersternehotel in der Nähe des
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